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Der Wiener Staatsanwalt mit den vielen Freunden

■ Wolfgang Mekis kennt viele Leute in Österreichs Hauptstadt – Polizisten, Kriminelle, Mafiosi. Daß dabei Geschäfte gemacht werden, versteht sich von selbst

Wien (taz) – Im getarnten Sendewagen vor dem Wiener Sacher- Hotel herrscht Hochspannung. Beamten der Polizei-Spezialgruppe gegen organisierte Kriminalität (EDOK) warten auf ihren Coup. Drinnen wird eifrig verhandelt: Dort sitzen der stadtbekannte Autoverleiher Franz Kalal und die russischstämmige Geschäftsfrau Valentina Hummelbrunner. Zwölf Tage zuvor war die 40jährige zur Polizei gekommen, um sich über Kalal zu beklagen: Er soll ihr Hilfe bei der Einstellung eines Gerichtsverfahrens angeboten haben – gegen Geld natürlich, umgerechnet knapp eine Million Mark. Die aparte Exilrussin steht unter Verdacht, illegale Millionen aus den Ölgeschäften ihres Mannes gewaschen zu haben. Sie war nach ihrer Ankunft in Wien 1987 verdächtig schnell reich geworden und ist mit dem Generaldirektor einer russischen Erdölfirma verheiratet, der inzwischen in seiner Heimat wegen Geldwäsche sitzt.

Nun sitzt Valentina Hummelsbrunner mit einem versteckten Mikrofon der Polizei beim Kaffee mit Herrn Kalal. „Liebe Madame“, sagt der zum Beispiel, „Mekis wird Ihrem Anwalt sagen, wie man das am besten formuliert. Bei der jetzigen Aktenlage bekommen Sie eine Einstellung des Verfahrens.“ Da schlagen die Fahnder zu.

Denn der Staatsanwalt, der Hummelbrunners Akte auf dem Schreibtisch hat, heißt Wolfgang Mekis. Kalal und Mekis sitzen seit jenem Tag im Gefängnis. Wolfgang Mekis hat viele Bekannte in Wien. Zum Beispiel den Türken Celal B., Chef einer „mittelgroßen Mafiaorganisation“, wie Fahnder sagen. Ihm werden inzwischen vier Mordaufträge vorgeworfen. Gerne trafen sich die Freunde in B.s „Harmoniebar“ in der Harmoniegasse im 9. Bezirk. In das Rotlichtlokal, das B. nach Polizeierkenntnissen regelmäßig mit Ost- Prostituierten bestückte, kamen auch gerne andere Würdenträger aus Polizei und Justiz zur Entspannung. Nach Zeugenaussagen wurde hier fröhlich randaliert, vergewaltigt, erpreßt. Und Mekis soll regelmäßig befriedigt dabeigesessen haben. Aus Protokollen der Spezialtruppe EDOK: „Generell kann gesagt werden, daß Wolfgang Mekis in der Organisation den Status einer Art rechtlichen Beraters hat.“ Zahlreiche Organisationsmitglieder haben so bei Mekis Waffenbesitzkarten bestellen können, so das Dossier der Polizei. Sie brauchten nur die nötigen Dokumente und 1.000 Schilling mitzubringen. Je nach Wunsch habe Mekis gleich noch Munition und Faustfeuerwaffen bereitgestellt. Verschiedene Polizeikommandanten sollen ihn unterstützt haben.

Denen kamen die EDOK-Ermittlungen ungelegen. Das Überstundenkontingent der EDOK sei erschöpft, hieß es plötzlich, bei weiteren Zuwiderhandlungen werde gegen „Dienstpflichten“ verstoßen. Schon seit längerem wird die EDOK von den Kollegen argwöhnisch beäugt: Bei ihren Ermittlungen stieß die Sondertruppe auf ein Dutzend hochrangiger Polizeibeamter, die der Organisation des Celal B. in irgendeiner Weise behilflich waren. Etwa ein Dutzend Führungspersonen von Mafiaorgnisationen residieren nach Einschätzung der Polizei in Wien. Alle sind bemüht, verläßliche Vertrauensleute in Polizei und Justiz zu gewinnen – für beide Seiten ein einträgliches Geschäft.

Trotzdem will man in Regierungskreisen nicht so recht an eine Unterwanderung der Polizei glauben. Der Sprecher des Justizministers: „Ich bezweifle, daß es in Österreich sichtbare Einflußnahmen auf die Justiz gibt.“ Hubertus Czernin, Herausgeber des Nachrichtenmagazins profil, sagt dagegen: „Das ist ein Mikrokosmos, der nicht in seiner Dimension, aber in seiner Struktur bis zu einem gewissen Grad an jene Verhältnisse erinnert, die die alte italienische Republik in den Untergang geführt haben.“ Daniel Asche

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