piwik no script img

Schwere Schlappe für Irans „Liberale“

Beim zweiten Wahlgang geht die Strategie der konservativen Mullahs auf: Im künftigen Teheraner Parlament haben sie die Mehrheit. Eine Niederlage für Präsident Rafsandschani  ■ Von Thomas Ruttig

Berlin (taz) – Die Strategie der islamistischen „Konservativen“ bei den Wahlen zum iranischen Parlament ist offenbar aufgegangen. Die Fraktion um den jetzigen Parlamentssprecher Ali Akbar Nateq Nuri schaffte es, nach außen hin den Eindruck eines lebhaften Wahlkampfes zu vermitteln und gleichzeitig ihre wichtigsten Gegenspieler auszuschalten. Verärgert meint Mehdi Karrobi, bis 1992 Parlamentssprecher aus der Fraktion der inzwischen völlig ausgeschalteten Radikal-Islamisten, die Nateq-Nuri-Leute täten alles dafür, ein „ruhiges und problemloses Parlament“ zu erhalten.

Nach den ersten Ergebnissen, die jetzt nach dem zweiten Wahldurchgang am vergangenen Freitag bekannt werden, scheint ihnen das gelungen zu sein. Die regimenahe Teheraner Zeitung Islamische Republik meldete am Montag, von den 256 bereits gewählten Abgeordneten seien 86 „Konservative“. 81 stünden den sogenannten „Liberalen“, dem wirtschaftsliberalen Flügel der Islamisten, um Staatschef Ali Akbar Haschemi Rafsandschani nahe. Dazu kämen 72 „Unabhängige“ und die fünf Vertreter der Minderheiten der Armenier, Assyrer, Zarathustrier und Juden. In Teheran sollen die „Konservativen“ sogar 29 der 30 dort vergebenen Mandate gewonnen haben. Die höchste Stimmzahl erreichte Nateq Nuri. Als einzige „Liberale“ kam in Teheran Faizeh Haschemi durch, die Tochter Rafsandschanis. Sie hatte mit ihrem Einsatz für die Rehabilitierung des von den Mullahs als unislamisch eingestuften Frauensports und Kritik am Verbot von Videos und Satellitenfernsehen Popularität gewonnen.

Geringe Wahlbeteiligung half den Konservativen

Als es nach dem ersten Wahlgang noch nach einem Patt zwischen „Konservativen“ und „Liberalen“ ausgesehen hatte, machte die Staatsspitze noch einmal Druck. „Wir wünschen vom Wächterrat, daß er sich mit Entschlossenheit gegen den Einfluß der Heuchler, Liberalen, Technokraten und Andersdenkenden stellt und verhindert, daß sie in das neue Parlament gelangen“, warnte Ajatollah Ahmad Dschanati. Die Gefahr, die aus der möglichen Verdrängung der „Anhänger der Partei Gottes“, entstehe, sei größer als die von den USA ausgehende Bedrohung. Dschanati steht dem Wächterrat vor. Das zwölfköpfige Gremium aus hohen Geistlichen und islamischen Juristen soll alle Gesetze auf ihre Übereinstimmung mit den Prinzipien des Islam – in der Lesart der regierenden Geistlichen – überprüfen. Auch bei der Zulassung der Kandidaten und der Bestätigung der Wahlergebnisse haben die Wächter das letzte Wort.

Selbst Irans geistlicher Führer Ali Chamenei schaltete sich ein. „Geldgierige Elemente und Frevler könnten die mangelnde Beaufsichtigung der Wahlen ausnutzen und das Parlament unterwandern“, meinte er an die Adresse der 32,2 Millionen Wahlberechtigten. Nateq Nuri beschuldigte die Rafsandschani-Anhänger, sie seien „aus wirtschaftlichen und politischen Gründen dazu bereit, die iranische Position gegenüber Salman Rushdie aufzuweichen“. Schließlich kündigte der Chef der paramilitärischen Revolutionswächter, Mohsen Rezai, am Wahlvorabend an, seine Leute würden „verhindern“, daß auch nur ein Liberaler ins Parlament gelange.

Unter dem Druck litt auch die Wahlbeteiligung. Nach offiziellen Angaben sank sie in Teheran von 2,4 Millionen im ersten Wahlgang auf 1,4 Millionen. Das neue Parlament werde „die Werte des Islam mit sehr viel größerem Eifer“ verteidigen, als es das alte getan habe, triumphierten Chamenei und Nateq Nuri am Montag. Sie sind sich offensichtlich sicher, daß die „Unabhängigen“ – das Zünglein an der Waage – sich auf ihre Seite schlagen werden. Auch die Nachrichtenagentur AFP errechnete eine absolute Mehrheit der „Konservativen“ mit 146 der 270 Sitze.

Trotzdem ist das Fragezeichen hinter der großen Gruppe der „Unabhängigen“ noch nicht ganz beseitigt. Angesichts der gravierenden sozialen Probleme könnte wachsender Druck aus der Bevölkerung dafür sorgen, daß die „Liberalen“ doch wieder Aufwind erhalten. Sie wollen eine gewisse Öffnung in Richtung Westen, um dem Land Kredite zu verschaffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen