Gegen eine strahlende Zukunft

■ SchülerInnen fordern HEW und Politik auf, den Lippenbekenntnissen vom Atomausstieg endlich Taten folgen zu lassen Von Patricia Faller

Als es gestern Nacht vor zehn Jahren zur größten Katastrophe in der Geschichte der zivilen Nutzung der Atomkraft kam, und der Reaktor in Tschernobyl explodierte, waren sie noch gar nicht auf der Welt, im Kindergarten oder in der Grundschule – die rund 700 SchülerInnen, die gestern in Hamburg bei der Anti-Atom-Demo auf die Straße gingen. Die erste Generation, deren Entwicklung durch verstrahlte Babynahrung, Sandkästen und Gemüse bedroht war. So etwas dürfte nicht noch einmal passieren, meint der elfjährige Andreas von der Gesamtschule Peter-Petersen. Und: „Ich will, daß meine Kinder, falls ich mal welche habe, ordentlich leben können.“

Die 15jährige Manuela wohnte zu der Zeit noch in der DDR. „Wir mußten damals zur ersten Mai-Feier noch mit roten Nelken zu Paraden auf die Straßen“, erinnert sie sich – von wegen Schutz in den Häusern suchen. Daß es im AKW Tschernobyl zu einer Explosion gekommen war, davon hatte sie nichts mitbekommen. Aber als sie am morgen vor der Demo in der Bruno-Tesch-Gesamtschule noch einmal Bilder aus Tschernobyl gesehen und erfahren habe, daß Menschen, die einst dort leben, wieder in die verstrahlten Gebiete zurück wollen, war für sie klar, daß sie zur Demo gehen würde. „Warum bauen sie diese Atomkraftwerke nicht ganz ab, die gefährden ja auch uns“, fragt sich auch ihre Mitschülerin Rita, 16. Daß man damals keine Nüsse oder Schokolade essen durfte, hat sich ihr eingeprägt.

„Mit acht Jahren habe ich mich mit anderen Dingen beschäftigt“, erklärt auch Nikolaus,18. Von der Katastrophe hat er nur im Fernsehen mitbekommen und durch Gespräche seiner Eltern. Er will, daß mehr Forschungsgelder für alternative Energien investiert werden. Denn der Vertreter der HEW und der Sicherheitsbeauftragte des AKW Krümmel bei der Podiumsdiskussion mit Anti-Atomkraftgegnern am Vortag in seiner Schule, dem Christianeum, hatten ihn nicht überzeugen können.

Zur Demonstration gegen Atomkraftwerke und Castortransporte hatten die Arbeitsgemeinschaft freie Jugendverbände, die SchülerInnenkammer und Jump, die Jugend-Umwelt-Projektwerkstatt, aufgerufen. „Sofortstillegung aller Atomanlagen“, „Das Uran muß in der Erde bleiben“, „Ihr Tod bringt unsere Dividende – 100 Jahre HEW“, „Stopp Castor“ war auf den Transparenten der Jugendlichen zu lesen. Auf dem Gänsemarkt ließen sie dann ein Atomkraftwerk aus Pappe explodieren.

Außerdem konnte sich jedEr ein eigenes kleines Krümmel-AKW aus Butterkeksen als Fundament, kleinen Schokoküssen als Reaktor und Salzstangen als Schornstein basteln und anschließend „vernichten“, indem es genüßlich aufgegessen wurde. Alles nach dem Motto: „Wir lösen das Atomproblem.“ In drei Zelten diskutierten die SchülerInnen über Hamburgs Atompolitik, was Jugendumweltbewegungen tun können und über den Sinn und Unsinn von Atomtransporten.