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Live-Lektionen via Kabel

■ Allein an der Freien Universität hängen 15.000 Studenten am World Wide Web

Wenn Thomas Hensel nach Hause geht, hat er von Computern die Nase voll. Den ganzen Tag hat der Diplomphysiker vor den Bildschirmen des Meteorologischen Instituts der Freien Universität verbracht. Er muß Informationen visualisieren. Ob Satellitenbilder, Wetter- oder Temperaturkarten – alles wird von ihm grafisch aufbereitet und auf den Homepages des Instituts abgelegt. Das Internet ist für den wissenschaftlichen Mitarbeiter schon lange fester Bestandteil seiner Arbeit.

„Ohne die neue Technik“, erklärt Hensel, „könnten wir gar nicht mehr existieren.“ Über das Internet kommuniziert das Meteorologische Institut täglich mit der ganzen Welt: Temperaturen aus Afrika oder die Wolkenlage über Amerika. Was früher mit der Post tagelang unterwegs war, holt sich das Institut heute per Mausklick in Minutenschnelle.

Vor rund zehn Jahren wurden in deutschen Forschungseinrichtungen die ersten Computer miteinander verbunden, später die bis dahin isolierten Netze zum Campusnetz verknüpft. Heute sind alle Berliner Universitäten miteinander verbunden. Über einen Anschluß an das Wissenschaftsnetz (WIN) kann man mit fast allen deutschen Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten.

„Die neue Technik hat das Arbeiten revolutioniert“, schwärmt Thomas Hensel. Das Meteorologische Institut benutzt Computerleitungen auch für kommerzielle Zwecke. Aber auch für die Studenten eröffnen sich neue Möglichkeiten: Verschiedene Fachbereiche können gemeinsam an Projekten arbeiten und die Ergebnisse einem breiten Publikum präsentieren. Operationen werden über die Netze live in die Hörsäle der Medizinstudenten übertragen. Physiker müssen für Messungen an Teilchenbeschleunigern keine weiten Dienstreisen mehr machen, sondern starten die Versuche von Zuhause. Studenten der Betriebswirtschaft können sich über ein paar Tasten die Börsenkurse aus New York, Tokio oder Singapur holen. Programme werden einfach von einem Rechner auf den anderen geladen.

Selbst Studenten, die kein Seminar inklusive Internet belegt haben, müssen nicht auf ihren Spaß verzichten. Wer einfach nur ein bißchen Surfen oder ein paar E- Mails verschicken will, braucht dazu nicht einmal einen eigenen Computer: An den Unis eingerichtete PC-Säle bieten auf einigen Rechnern einen Zugang zum Internet an. Wer technisch auf dem neuesten Stand ist, kann sich auch von Zuhause über ein Modem in das World Wide Web einklinken. Allein an der FU hängen so schon rund 15.000 User am Draht in die Welt. Tendenz steigend.

Doch in der TU herrscht Stellenstopp. Die Mittel für Wartung wurden für dieses Jahr um 28 Prozent gekürzt, für Investitionen stehen nur noch 180.000 Mark zur Verfügung. Die FU muß mindestens acht Stellen abbauen. Die laufenden Geldmittel wurden um 44 Prozent gekürzt. So wird die technische Revolution in kleinen Schritten weitergehen – bis sie bezahlt werden kann. Falk Zielke

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