Kein Sex-Small-Talk -betr.: "Sünde! Liebe! Ruhig härter!", taz vom 20.4.l996

Betrifft: „Sünde! Liebe! Ruhig härter!“, taz vom 20.4.96

Liebe tazlerInnen,

leider hat Burkhard Straßmann mit seinem Artikel unser Buchvorhaben völlig entstellend beschrieben. Mit unserer Idee hat das nur wenig zu tun. Was machen Sie aus unserem Buch, Herr Straßmann? Sie konstruieren in Ihrem Artikel den Eindruck, wir planen eine alternativ angestrichene Schmuddellektüre der harten Sorte. Sie haben unser Buchvorhaben „Lust und Liebe – erotische Erlebnisse und Fantasien“ völlig mißverstanden!

Für uns beginnt das Kribbeln der Erotik beim etwas zu langen Blick in fremde Augen. Ab da gibt es ein breites Spektrum bis zu den von Ihnen angedeuteten sado-masochistischen Praktiken. Mag das für manche lustvoll sein, es ist Geschmackssache. Aber nicht unbedingt unsere Sache. Auch für Einsendungen in dieser Richtung würde in unserem Buch gelten: Sind sexuelle Schilderungen gewaltverherrlichend oder menschenverachtend, zeigen sie Sexualität ohne Zustimmung, ist das nichts, wofür wir ein Forum bilden wollen.

Noch etwas Herr Straßmann: Was soll daran verwerflich sein, über Sexualität zu reden? Natürlich nicht unbedingt in der von Ihnen karikierten Form eines small talk. Warum sollten nicht Menschen mit jemand anderem als der/dem BeziehungspartnerIn über Sexualität ins Gespräch kommen. Zum Beispiel mit Ihrem oder Ihrer besten FreundIn! Warum sollten zum Beispiel Männer sich gegenseitig nur bei der Autoreparatur oder der Diplomarbeit Tips geben. Vielleicht kann unser Buch dazu beitragen, daß es Menschen leichter fällt, sexuelle Bedürfnisse und Wünsche auszudrücken. Möglicherweise erleichtert das Buch das Reden über Sexualität, weil es authentische Situationen in Worte faßt. Situationen, mit denen wir uns eher identifizieren können, als mit denen im Schulmädchenreport Teil 22. In einer Sprache, die anregt aber nicht verachtet.

Herr Straßmann, was raten Sie denn Paaren, die Sexualität mit Koitus in zwei Varianten gleichsetzen? Die dabei unglücklich sind und nicht gleich eine Sexualberatungsstelle aufsuchen wollen? Möchten Sie denen das Samstagnacht-Programm von RTL als Anregung vorschlagen? Oder die eher technischen Anleitungen über sexuelle Stellungen? Wir haben bisher nicht viel gefunden, was gefühlvoll beschreibt, was Erotik alles sein kann. Warum soll diese Art der Aufklärung Praline, Beate Uhse und den Schmuddelvideos überlassen werden?

Daß Menschen viele Fragen zur Sexualität haben, erscheint uns offensichtlich, sonst würden nicht derartig viele Zeitschriften oder Fernsehsendung (z.B. „Liebe Sünde“) das Thema aufgreifen. Und das z.T. durchaus seriös, informativ und lustvoll. Warum nicht auch als Buch. Warum sollten sich Menschen da mit Büchern zufrieden geben, die 30 Jahre alte amerikanische Sexualität darstellen, wie Nancy Friday's Veröffentlichung über sexuelle Fantasien von Frauen und Männern.

Andrea Baldauf/Stefan Biele

Redaktion Lust und Liebe, Postfach 103501, 28035 Bremen.