Jungs machen Valéria rasend

■ Hätte sie einen Rock an, würde sie sicher am Bauzaun hängenbleiben. Das fsk zeigt Filme mit Valéria Bruni-Tedeschi

Wenn ich ausplaudern würde, wo der tip mit dem verdammt großen Foto von Valéria Bruni-Tedeschi in meiner Bude rumliegt – alle würden sagen: den hat's ja wohl wieder mal voll erwischt. Stimmt gar nicht, alles, was ich wollte, war, daß Valéria sich in meiner Dreckswohnung einigermaßen wohl fühlt. Ich habe schon ewig nicht mehr Staub gesaugt – nur deshalb liegt der tip neben meinem Kopfkissen.

Das kleine Heftchen vom fsk liegt daneben, unauffällig auf der Seite aufgeschlagen, wo ganz beiläufig steht: „Normale Menschen haben nichts Besonderes“. Haben sie ja auch nicht, und Valéria bestimmt schon gar nicht. Auf dem Filmfoto hat Valéria ihre ganz normalen Klamotten an und schaut, tja, ganz normal eben... Kann man sich in jemanden verlieben, der ganz normal ist? Wohl kaum, es sei denn, man ist selber nicht ... oder umgekehrt?

Dabei ist Valéria ja gar nicht ganz normal, genausowenig wie die Bauarbeiter vor meinem Haus, die heute wieder verzweifelt versucht haben, das Loch im Bürgersteig zu flicken, das seit November dort dumm und sinnlos rumklafft. Sie haben es wieder nicht geschafft. Der Sand reicht nie. Aber in zwei, drei Monaten werden sie bestimmt zurückkommen und weitermachen.

Valéria müßte ganz schön vorsichtig sein, wenn sie mich hier besuchen käme. Wenn sie einen Rock anhätte, würde sie bestimmt damit an dem Bretterzaun hängenbleiben, den die Bauarbeiter diesmal nicht mit dem schönen rotweißen Plastikband gesichert haben. Wahrscheinlich würde sie sowieso nur auf der Straße langrennen, energisch auf die Klingel drücken und, sobald sie mich am Fenster sähe, weiterlaufen und im U-Bahn- Eingang verschwinden. Denn Jungs machen sie einfach rasend, rumrasend. Schon auf der Berlinale raste sie zuerst durch den Film und dann fast in meine Arme. Denn nach der Vorstellung von „Oublie-moi“ war ich dermaßen angerührt, daß ich Valéria im Delphi ungeschickt den Weg zum Diskussionspodium verstellte. Wieder war nichts Besonderes an ihr, absolut nicht, nur...

Das ist alles ganz normal, werden Sie sagen, nichts Besonderes. Wenn ein gläubiger Psychoanalytiker Valérias Filme kurztherapierte und analysierte, würde er wohl sagen: Wir sehen hier eine Borderline-Persönlichkeit dargestellt. Huh! Valéria (Martine) würde darüber lächeln, weiterlaufen bis zur nächsten stillgelegten S-Bahn- Strecke und auf den Schienen entlangbalancieren. Ich würde neben ihr hergehen, den linken Arm ausgestreckt, wie einer, der seiner kleinen Schwester neben dem Gleis folgt, um ihr die Hand zu reichen, falls sie das Gleichgewicht verliert. Findet das jemand besonders? Andreas Becker

Valéria Bruni-Tedeschi-Abende: „Normale Menschen haben nichts Besonderes“ (OmU). fsk, täglich 20 und 22 Uhr.

„Oublie-moi – Vergiß mich“ (OmU). fsk, 4.,5.,11. und 12.5. um 18.00 Uhr