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Allseits offensiv

Hansa Rostock hat nach dem 1:0-Sieg gegen den SC Freiburg den UEFA-Cup fast erreicht  ■ Aus Rostock Jan Feddersen

Volker Finke weiß, was er seinem Ruf als Antischaumschläger schuldig ist. Also zollte der Mann der gerechten Urteile nach dem 0:1 seines SC Freiburg im Rostocker Ostseestadion dem FC Hansa viel Respekt: „Wir hatten versucht, etwas zu entführen, obwohl es unverdient gewesen wäre.“ Jammern wolle er indes nicht, bei der „furchtbaren Personalsituation“ sei mehr kaum drin gewesen. Sogar Tormann Jörg Schmadtke mußte sechs Minuten vor dem Ende der Partie als Feldspieler mittun, die Ersatzbank gab nur noch Reservekeeper Beneking her.

Ein wenig Lob ließ Finke schließlich doch noch, wenn auch indirekt, auf sein Team fallen, dabei eine Selbstgedrehte über dem aschenbecherlosen Tisch anzündend: „Ich bin zufrieden, wenn ich sehe, daß eine Mannschaft wie Rostock den UEFA-Pokal erreicht – denn die spielen im Grunde denselben Fußball wie wir im vergangenen Jahr.“ Frank Pagelsdorf errötete leicht bei solchen Worten. Der Hansa-Trainer wird wohl demnächst an höheren Aufgaben gemessen werden. Der Sieg gegen die Badener macht es unwahrscheinlich, daß Rostock in der kommenden Saison nicht international gastieren wird.

Sie haben sich diese lukrative Qualifikation verdient: Die ganze Spielzeit über kickten die Rostocker eine Spur besser als das Gros der Bundesliga – munter, frisch und „offensiv in allen Bereichen“ (Pagelsdorf). Die Gründe für den vierten Tabellenplatz der „Kogge“ (Selbststilisierung der Rostocker): Sie schifft bar aller Millionenfracht, doch ohne zu schlingern durch das Bundesligameer – so erfolgreich, daß Stürmer wie Beinlich oder Baumgart die Aufmerksamkeit von Berti Vogts auf sich zogen. Was das Team auszeichnet, wird von der Konkurrenz mit Neid beobachtet: blindes Verständnis und eine flexible Spielweise, bei der wie gegen Freiburg ein Verteidiger (Schneider) das Tor erzielt, wenn die Stürmer gerade allzu dicht bewacht werden. Darüber hinaus wirkt sich Pagelsdorfs Anspruch, auch erwachsene Spieler noch Technik üben zu lassen, günstig aus: Profane Dinge wie Ballannahme, Dribblings oder präzise Vorlagen funktionieren fast fehlerlos. So sieht es klasse aus, was sich die Leute von der Ostsee zusammenspielen. Beifall gab es selbst von den Freiburger Fans.

In den nächsten Heimspielen, gegen Bremen und Schalke, soll der UEFA-Cup-Platz besiegelt werden. Dann allerdings, das wissen gebrannte Kinder wie Volker Finke nur allzugut, ist es mit der Unschuld der Underdogs vorbei. Jetzt schon sind es Begehrlichkeiten, die die Spieler durchdrehen lassen – vor allem wenn es um zu verlängernde Verträge geht, bei denen sie bayernwürdige Gagen verlangen. Und plötzlich empören sich Fans, daß die Spieler 30.000 Mark für das sportliche Ziel bekommen werden, der Trainer sogar 150.000 Mark: Das macht nicht gerade beliebt in einem Bundesland, dessen Bewohner fürchten, zur Dritte-Welt-Kolonie der Bundesrepublik zu werden.

Während Vereinschef Peter- Michael Diestel in seinem weiten Trench den Reigen der VIPs abschreitet, wird Volker Finke gefragt, welchen guten Rat er seinem Kollegen Pagelsdorf für den UEFA-Pokal geben kann. „Keinen“, sagt er, „wir sind ja in der ersten Runde ausgeschieden.“ Nüchterner setzt er nach: „Ich muß hier wohl niemandem erzählen, wie schwer es im zweiten und dritten Jahr nach dem Aufstieg wird.“ Da haben die Rostocker schon weggehört, sie wollen ihre schlechten Erfahrungen allein machen.

SC Freiburg: Schmadtke - Neitzel (84. Beneking) - Sundermann, Spanring - Müller, Zeyer, Rath, Sutter, Bornemann (53. Kohl) - Jurcevic (75. Seretis), Decheiver

Zuschauer: 17.500; Tor: 1:0 Schneider (48.)

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