: Ein „Blümchen“ als Bürgermeister
■ Josef Monatzeder, ein grüner Realo, wird dritter Stadtchef
München (taz) –Die Wahl findet zwar erst heute vormittag statt, doch das Ergebnis steht schon fest. Josef „Hep“ Monatzeder (Bündnis 90/Die Grünen) wird dritter Bürgermeister von München. Denn nach dem gerade ausgehandelten Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, ÖDP und Rosa Liste dürfen die Bündnisgrünen den Stellvertreter von Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) bestimmen.
Am späten Montag abend, kurz vor Mitternacht, hatte sich die grüne Partei entschlossen, Monatzeder für diesen Posten zu nominieren. Die Basis stimmte mit 106 von 163 Stimmen für den pragmatischen Finanzexperten, der seit 1990 im Münchner Stadtrat sitzt und dem „Blümchen-Flügel“ angehört, wie in München die Realos genannt werden. Die Gegenkandidatin Judith Schmalzl, die den linken „Sternchen“ der Partei zuzurechnen ist, erhielt 50 Stimmen.
Die Suche nach einer neuen grünen Spitze war nötig, weil die bisherige dritte Bürgermeisterin Sabine Csampai nach sechs Amtsjahren den Job aufgeben wollte. Die Begründung gab sie der grünen Basis am Montag abend. Sie habe eine drei Jahre alte Tochter, die sie bei einem 14-Stunden-Arbeitstag an der Stadtspitze viel zu selten sehe: „Ich hatte das Gefühl, daß es mich zerreißt“, rechtfertigte sie ihren Verzicht auf das hochbezahlte Spitzenamt und die zu erwartende Beamtenpension. Csampai bleibt jedoch Stadträtin und übernimmt einen Job an der Fraktionsspitze.
Ein Teil der Münchner Parteimitglieder hatte am Montag abend Schwierigkeiten, einen Mann zum Nachfolger für die prominente Sabine Csampai zu wählen. Judith Schmalzl, ebenfalls Stadträtin, sah darin einen „fatalen Fehlschlag gegen die Frauen“ und entschloß sich zur Gegenkandidatur.
Doch fast die gesamte Parteispitze stand hinter Monatzeder. So erklärte der Parteivorsitzende Bernd Schreyer in der Personaldebatte: „Judith hat sicher ihre Fähigkeiten, doch das Bürgermeisteramt gehört nicht dazu.“ Die politische Richtung des nüchternen Hep Monatzeder paßte den in München dominierenden Realos ebenfalls, so daß Judith Schmalzl trotz Quotierungsforderungen keine Chance hatte.
Auch die Koalitionsvereinbarung mit SPD, ÖDP und Rosa Liste wurde von den Parteimitgliedern mit deutlicher Mehrheit akzeptiert, obwohl sich darin schmerzhafte Festlegungen finden. So werden die Bündnisgrünen in den nächsten sechs Jahren den milliardenteuren Bau eines neuen Messegeländes mittragen müssen — obwohl gerade Hep Monatzeder immer wieder dessen Gefahren für die Stadtfinanzen beschrieben hat.
In der Verkehrspolitik hat die Münchner SPD ebenfalls Mäßigung verlangt und durchgesetzt. Mehrere Neubaustraßen sind im Koalitionsvertrag abgesegnet; der Rückbau von Hauptstraßen wird explizit ausgeschlossen. Außerdem versucht die Koalition, sich wirtschaftsfreundlich zu präsentieren. Steuererhöhungen seien „Gift für die Konjunktur“, und die Schaffung von Arbeitsplätzen habe in München oberste Priorität. In einigen Punkten konnten die Grünen dafür „ihre“ Themen durchsetzen. So soll auf dem ungeliebten Messegelände zumindest ein „Ökologie-Zentrum“ entstehen, eine Energieagentur wird geschaffen und die Stadt soll ihren Anteil am Atomkraftwerk OHU II schrittweise verkaufen.
Die CSU in München, die in den letzten Jahren eine aggressive, polarisierende Opposition gegen SPD und Bündnisgrüne machte, ärgert sich nun, daß die Sozialdemokraten nicht zur großen Koalition bereit waren: „Ich hatte das Gefühl, daß nur zum Schein mit uns verhandelt wird“, sagte CSU- Fraktionschef Hans Podiuk nach der Bekanntgabe des Koalitionsvertrags. Allerdings, eine Idee von Peter Gauweiler haben SPD und Bündnisgrüne übernommen: Den Titel „Bündnis für München“, den Gauweiler für eine große Koalition vorgeschlagen hatte. Felix Berth
Porträt Seite 11
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