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Kohl kann sich freuen

■ Der 1.Mai zeigte das Problem der Opposition

Der 1.Mai war ein Festtag für Helmut Kohl. In Berlin mußte sich DGB- Chef Dieter Schulte einem Tomatenbombardement und gellenden Pfiffen erwehren, während in Dortmund der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel ein paar tausend überwiegend schweigsame Getreue für eine „Front“ gegen den Bonner „Gruselkatalog“ zu begeistern suchte. Zwei Orte, ein Problem.

Auch wenn die Szenen aus Berlin und Dortmund den Zustand der oppositionellen Kräfte in Deutschland nicht in allen Facetten abbilden, so ist doch eins gewiß: Vor dieser Opposition braucht sich die Koalition aus Kabinett und Kapital derzeit nicht zu fürchten. Dabei hat Zwickel die Lage zutreffend beschrieben: Wenn in den nächsten Wochen und Monaten nicht deutlich wird, daß die parlamentarische Mehrheit in Bonn nur eine gesellschaftliche Minderheit vertritt, dann läßt sich an dem verhängnisvollen Bonner Sparprogramm nichts Wesentliches ändern. Woran liegt es aber, daß die gesellschaftliche Mehrheit so indifferent auf die Bonner Politik reagiert? Die linke Gewerkschaftsopposition, die in Berlin ihre „Stärke“ mit einem Pfeifkonzert demonstrierte, weiß darauf eine ganz schlichte Antwort: Die Gewerkschaftsführung ist schuld! Durch ihre Bereitschaft, den Abbau von Sozial- und Lohnstandards zumindest teilweise mitzutragen, habe sie für Resignation in den eigenen Reihen gesorgt, anstatt den Widerstand zu organisieren.

Tatsächlich führen solche Vorwürfe in die Irre. Der Versuch, ein Bündnis für Arbeit zu schmieden und dafür auch Zugeständnisse zu machen, war und ist richtig. Es fehlen in Deutschland über sechs Millionen Arbeitsplätze. Die schafft man nicht durch eine Wiederbelebung des Klassenkampfs. Der radikal veränderten Wirtschaftsweise wird man nur mit intelligenten Lösungen gerecht, die im Konsens zwischen Arbeit, Kapital und Politik gefunden werden.

Das Bündnis für Arbeit muß von den Gewerkschaften deshalb weiter verfolgt werden – mit Überzeugung, mit Demonstrationen und im Zweifelsfall auch mit Streiks. Manchmal hilft es, guten Argumenten mit Druck zum Durchbruch zu verhelfen. Doch niemand sollte sich dabei Illusionen machen: Die Gewerkschaften sind nicht in der Lage, mit Tarifkämpfen aus den Niederlagen der Oppositionsparteien Siege zu machen. Walter Jakobs

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