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Die Kacheln entlang

■ Nylonwälder, Muscheln an den Wänden: Die Firma Boecker stellt KünstlerInnen ihre 1.500 qm große Halle zur Verfügung

Um der Kunst willen nimmt man viele Wege in Kauf. Auch wenn diese in das unwirtliche Industriegebiet von Alt-Mariendorf führen. Nicht für Kunst am Bau, sondern für Kunst im Bau stellte dort die Firma Boecker KünstlerInnen eine riesige Fabriketage zur Verfügung. Natürlich nicht ganz uneigennützig. Mit großem Buffet und Suppe aus der Gulaschkanone wurde zur Eröffnung für Volksfeststimmung gesorgt, die alte und potentielle neue KundInnen anlocken sollte. Boecker macht das bereits zum dritten Mal. Unter dem Motto „Ort und Stellungnahme“ haben in diesem Jahr Matias Bechtold, Ruudi Beier, Kira Hanusch, Harry Hauck, Doris Koch und Susanne Specht die dafür leergeräumte 1.500 qm große und rundum verglaste lichtdurchflutete Bürohalle in einen bizarren Kunstraum verwandelt.

Ruudi Beier von der Galerie SOMA hat mit seinen Fernglasinszenierungen die Ausstellungseröffnung selbst thematisiert. Aus verschiedenen Blickwinkeln schaut man auf eine Gruppe von ZuhörerInnen in eben dieser Halle. Sie alle lauschen dem Redner vorm Mikrophon. Und selbst Gespräche am kalten Buffet sind an entsprechender Stelle im Raum dokumentiert. Was längst stattgefunden hat, wird zum endlosen Ereignis. Nur der unverstellte Blick in die Halle überzeugt wieder von ihrer Leere.

Die sicherlich ästhetischste Antwort auf ihr jungfräuliches Weiß fand Harry Hauck in einem Wald aus weißen, schnurgerade von der Decke herabfallenden Nylonfäden. Eine sich verdichtende, manchmal auch sich lichtende Barriere, die so leicht zu durchschreiten wäre, hinderte einen nicht diese unschuldige und zerbrechlich wirkende Filigranität der Handarbeit. Es ist ein zu umschreitender Raum im Raum.

Matias Bechtold hat diesen Raum verlassen und sich in das ehemalige, jetzt offene Klo der Etage verzogen. In Augenhöhe hat er dort auf den kleinen grauen Fliesen einen Fries mit ungewöhnlichen schnecken- und muschelartigen Gebilden geschaffen. In der Halle wären sie hoffnungslos verloren, hier krabbeln sie scheinbar lebendig die Kacheln entlang.

„Kunst als selbstverständlicher Bestandteil des Alltags“, nennt Doris Koch dieses Zusammentreffen in ihrer Arbeit. Petra Welzel

„Ort und Stellungnahme“. Bis 12. Mai, Mo. bis Fr. 9–17, Sa. 9–13 Uhr. Boecker GmbH, Kitzingstraße 25–27, Mariendorf

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