piwik no script img

US-Eiertanz vor der Küste Liberias

■ Angesichts der neuen Kämpfe in der liberianischen Hauptstadt verhalten sich die USA merkwürdig: Sie bewegen Kriegsschiffe vor der Küste hin und her und beschimpfen das Regierungsmitglied Charles Taylor

Monrovia (AFP/wps/taz) – Ob es überhaupt jemand merkte? Nachdem US-Staatssekretär George Moose seine Vermittlungsmission in Liberias Hauptstadt Monrovia abbrechen mußte, übten sich die USA in hilfloser militärischer Gestik. Drei Kriegsschiffe, die im Ozean unweit der liberianischen Küste kreuzten, wurden am Mittwoch in die Nähe von Monrovia verlegt – und zogen sich gestern wieder zurück. Geändert hatte sich mittlerweile an der Situation in und um Monrovia nichts.

Dort kämpfen immer noch Regierungstruppen, die loyal zu den Milizenchefs und Staatsratsmitgliedern Charles Taylor und Alhaji Kromah stehen, gegen die bewaffneten Gruppen der Krahn-Ethnie unter Milizenführer Roosevelt Johnson. Die neuen Kämpfe, die am Montag mit einem Angriff der Johnson-Truppe auf den Präsidentenpalast begonnen hatten, verlagerten sich auf die Außenbezirke, nachdem Johnsons Sprecher Madison Wion am Mittwoch angekündigt hatte, „den Kampf zu den Häusern von Taylor und Kromah“ zu tragen. Die beiden wohnen nebeneinander im Vorort Congo Point.

Gestern kündigte Taylor offiziell die am 19. April geschlossene Waffenruhe auf und wies seine Soldaten an, sich auf die Erstürmung der Barclay-Kaserne vorzubereiten, wo die Johnson-Miliz ihr Hauptquartier hat. Schon jetzt haben vor den neuen Auseinandersetzungen Tausende von Zivilisten die Flucht ergriffen. So hat sich die Zahl der Flüchtlinge auf dem US- Botschaftsgelände, die sich nach dem am 19. April geschlossenen Waffenstillstand verringert hatte, jetzt wieder auf 20.000 verdoppelt.

Was die USA, die auf ihren drei Kriegsschiffen vor Liberia 4.000 Soldaten stationiert haben, eigentlich wollen, wird dabei immer unklarer. Seit Beginn der Krise Anfang April haben sich die US-Militärs vor Ort auf die Evakuierung von Ausländern und Mitarbeitern internationaler Hilfsorganisationen beschränkt. „Die Vereinigten Staaten sind dem Schutz amerikanischen Lebens hier in Liberia verpflichtet“, sagte am Mittwoch wieder Marinesprecher Keil Gentry. Die Mission des Afrika-Staatssekretärs Moose, der eine neue Liberia-Friedenskonferenz in Ghana zu vereinbaren versucht hatte, zog die US-Diplomatie jedoch tiefer in die liberianische Innenpolitik hinein – mit kuriosen Folgen: Für eine Fortdauer der neuen Kämpfe, die die Johnson-treuen Milizionäre begonnen hatten, würde man Charles Taylor verantwortlich machen, sagte Moose. Und er warnte, die USA würden Taylor isolieren, sollte er mit Gewalt die Macht ergreifen.

Da Taylor als führendes Mitglied der liberianischen Übergangsregierung schon längst an der Macht ist, war der Sinn dieser Bemerkung zumindest fragwürdig. Taylor antwortete mit einer Beschuldigung: „Irgend jemand versucht eine Krise zu provozieren, um die USA dazu zu bringen, ihre militärische Macht zur Ermordung von Charles Taylor einzusetzen“, sagte er dem Radiosender Voice Of America. Zumindest Taylor merkte also sehr wohl, daß die US- Kriegsschiffe vor Monrovia am Mittwoch unüblich nahe vor seinem Wohnviertel Congo Point kreuzten. Offenbar sehen die USA genauso wie Nigeria, daß die derzeit untätige westafrikanische Eingreiftruppe Ecomog kontrolliert, Taylor immer noch als Störenfried in Liberia. D.J.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen