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Gorleben wartet auf den Castor-Transport aus Frankreich. Mittwoch soll er kommen, Anschläge gegen Bahnstrecken hat es bereits gegeben. Vom Demonstrationsverbot wollen sich die Aktivisten nicht einschüchtern lassen. Aus Hannover Jürgen Voges

Wendland rechnet mit Polizeigewalt

Überrascht von dem erneuten Demonstrationsverbot für die nächsten fünf „Castor-Tage“ war die Bürgerinitiative Lüchow- Dannenberg keineswegs. Doch sie hatte einiges zurechtzurücken: „Natürlich sind unsere Kundgebungen angemeldet, legal und keineswegs verboten“, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke gestern in Hannover und trat damit dem Eindruck entgegen, als sei der Protest gegen den ersten Transport französischen WAA-Mülls in das Zwischenlager Gorleben flächendeckend untersagt worden.

Das gestern in Kraft getretene Demonstrationsverbot im Wendland gilt wie beim ersten Transport im vergangenen Jahr ausschließlich für die Bahnstrecken und Straßen, auf denen der Castor-Transport rollen soll und im Umkreis von 500 Metern um das Gorlebener Zwischenlager selbst. Und auch die gerichtliche Überprüfung dieses Demonstrationsverbots steht noch aus; erst am Montag morgen wird das Verwaltungsgericht Lüneburg seine Entscheidung über die Klage verkünden, die die BI gegen das letztjährige Demoverbot eingereicht hatte. Das hatte die Polizei damals ohnehin nur selektiv durchgesetzt. „Wir lassen uns von Verboten nicht einschüchtern“, erklärte denn auch der BI-Sprecher gestern. Er sieht es ohnehin nur als „polizeitaktische Maßnahme“, die vor allem die wendländischen Normalbürger von den Protestaktionen fernhalten soll.

Die hat der Justitiar des Landkreises vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg sogar offen eingestanden. Zweck des Verbots sei es demnach auch gewesen, Beamte, Lehrer etwa, von Protestaktionen abzuhalten. Das ganze Spektrum ihrer Widerstandsformen will die BI wiederum gegen den zweiten Transport ins Feld führen. Neben den bunten Aktionen verschiedenster Gruppen (siehe nebenstehenden Aktionskalender) wollen sich die Aktivisten natürlich am eigentlichen Transporttag, dem kommenden Mittwoch, auf der Straße querstellen, ihn mit Sitzblockaden nach Kräften behindern. Dabei hofft die BI auf eine Polizei, die die Situation „nicht durch harte Einsätze zu einer Schlacht um den Castor“ eskalieren läßt.

Gewalt gegen Menschen wird auf unserer Seite keine Rolle spielen, versicherte Ehmke gestern. Allerdings beweifle er, ob dieser Grundsatz auch für die Polizei gilt. „Wenn der niedersächsische Innenminister einen verhältnismäßigen Einsatz nicht zustande bekommt, weil hier eine ganze Region gegen den Castor aufsteht, muß er den Transport für nicht durchsetzbar erklären“, verlangte der BI-Sprecher und bedauerte, daß das lange geplante Gespräch zwischen Landesinnenminister Gerhard Glogowski und der BI am Ende an ministeriellen Terminschwierigkeiten scheiterte.

Nach Ansicht der bündnisgrünen Landtagsabgeordneten Rebecca Harms droht die Polizei bei diesem Castor-Transport brutal zu Werke zu gehen. So seien diesmal bereits 800 Haftplätze für Castor- Gegner in einer ausgedienten Kaserne eingerichtet worden, in der auch das Rote Kreuz präsent sein wird, um verletzte Demonstranten zu behandeln. Harms fürchtet, daß diesmal systematisch Castor-Gegner eingesammelt werden sollen.

Allen anderslautenden Meldungen zum Trotz gehen die Grünen und auch die BI weiterhin davon aus, daß der Castor-Behälter mit dem WAA-Müll, der eigentlich ein „TS 28 V“ aus französischer Produktion ist, sich auch gestern noch an der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague befand. Höchstens bis zum Gleisanschluß der WAA- Firma Cogema sei der Behälter bisher gefahren worden, sagte Rebecca Harms. Termin für die Abfahrt der 28 Glaskokillen sei weiterhin der kommende Montag.

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