piwik no script img

■ Gebrauchsanweisungen als NervenstrapazeImmer mit Hut sein!

Der frisch erstandene Videorecorder harrt seiner Programmierung. Bloß wie? Ich studiere die Bedienungsanleitung und verstehe nur Bahnhof. In vorgeschriebener Reihenfolge drücke ich die angegebenen Tasten. Fehlanzeige. Entnervt gebe ich auf. Erst mit Hilfe eines WG-Genossen, einem habilitierten Ingenieur, schaffe ich es schließlich, die höchst eingenwillige Anleitung auszutricksen und den Videorecorder seiner Funktion zuzuführen.

„Die mikrotasta ausführt viele Funktionen. Einschlisslich, ein an- kraft selbst-prüfen während es its von der system-einheit verbraucht. Diese prüfung des mikrocomputer prüft die erinnerung, und für die stück tasten. Übrige funktionen sind tastatur scan, polier von über 32 tasten scan coden, und es erhaltet unmittele reihe communicationen, mit system einheit, und ausführt die hand-schütteln protokol von jeder scan-code transfer braucht.“

So ähnlich las sich auch die Anleitung meiner Videoprogrammierung. Diese stammt allerdings aus dem „Buch der Gebrauchsanweisungen“, eine Fundgrube hübscher Stilblüten. Greifen wir einige Fallbeispiele heraus. Aus der Anleitung für einen Koffer aus China: „Die Handkoffer Schlüssel Nummer errichten wir ,0-0-0‘. Sie können diese Nummer bleiben...“ Aus der Anleitung eines Abmagerungspulvers: „Die Säen-Empfindung auch bei der Begrenzung der Kost...“ Oder aus der Gebrauchsanweisung für Verona (Achtung auf die Diebe!): „Der Diebstahl ist sehr geschwind, rasch, ein Augenblick; dafür fast immer kann nicht ein Gegenwart, Anwesender, dazwischen kommen, eingreifen, intervenieren; dafür sind Sie allein wie in einer Wüste, allein.“

Allein, diese Lektüre zum Schmunzeln im Lehnstuhl hat einen ernsten Hintergrund: Auf mindestens 700 Millionen Mark pro Jahr nämlich schätzt man den volkswirtschaftlichen Schaden durch defekte Gebrauchsanweisungen. Und eine Feuerversicherung im Süddeutschen hat studienhalber herausgefunden, daß von 12.000 untersuchten Schadensmeldungen an elektronischen Produkten fast die Hälfte (46 Prozent) auf unsachgemäße Bedienung zurückzuführen ist.

Einige der Gebrauchshinweise sind uns Hausfrauen und -männern ja Alltagsroutine: „Vor dem Einfüllen der Wäsche darauf achten, daß sich keine Fremdkörper oder eventuell eingesperrte Tiere in der Trommel befinden.“ Andere Instruktionen hingegen, wie der ausgeklügelte 12-Punkte-Plan „Bleiben Sie am Leben in einem Hotelfeuer“, sollte jeder Hotelgast sich unbedingt hinter die Ohren schreiben: (in Auszügen) „1. Nehmen Sie die Zimmerschlüssel – Kreichen sie zur Tür 2. Befühlen Sie die Tür – Wenn heiß, öffnen Sie die Tür nicht. 3. Wenn die Tür kühl, öffnen Sie, aber Langsamkeit und mit Hut sein.“

Nicht die Verbraucher sind schuld, die die Gebrauchsanweisungen nicht kapieren, sondern die Firmen, die solchen Sprachschrott fabrizieren. Diese Hypothese wollten Frankfurter Fachhochschulstudenten verifizieren: Sie ließen nichtsahnende Einkaufsbummelanten auf der „Zeil“ nach schriftlicher Anleitung Funktelefone und Fotoapparate handhaben. Viele Passanten „versagten“ ob des Kauderwelsches der Untexte.

Mein Favorit: „Wenn das Wetter kalt ist, wird der Puff Unterlage sich langsam puffen, Entrollen die Puff Unterlage und liegen auf ihr, dann wird sie von der Wärme sich Inflationen bekommen.“ Soweit die „Anleitung unser Luftmatrotze ES 223“. Einfach zum Knuffen. Günter Ermlich

Jürgen H. Hahn: Jetzt zieht den Zipfel durch die Masche. Ammann Verlag, Zürich; 176 S., 25 DM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen