piwik no script img

Die Roulettekugel rollt wieder

Sechs Wochen lang streikten die Angestellten der Spielbanken in Wiesbaden, Mainz und Trier. Fast umsonst: In Wiesbaden sorgt künftig ein Psychologe für das Betriebsklima  ■ Von K.-P. Klingelschmitt

Wiesbaden/Mainz (taz) – Seit dem Wochenende rollt auch im Casino von Mainz die kleine Elfenbeinkugel wieder durch den Roulettekessel. Der längste Streik in der Geschichte deutscher Spielbanken ist beendet. Mehr als sechs Wochen hatten in Mainz und Trier die Kugeln geruht, in Wiesbaden immerhin knapp fünf Wochen. Die in der Deutschen Angestellten- Gewerkschaft (DAG) und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) organisierten Rechenkünstler und Cassiers wollten gegen die Geschäftsführer ihrer Casinos bessere Arbeitszeiten und eine angemessene Bezahlung durchsetzen.

Herausgekommen ist bei ihrem Arbeitskampf „so gut wie nichts“, sagt ein frustrierter Coupier vom großen Spiel in Wiesbaden. Kein voller monetärer Ausgleich für die Verluste aus der geänderten Steuergesetzgebung, keine Bezahlung der Arbeitgeberanteile an der Sozialversicherung. Nur bei den Arbeitszeiten und den Bedingungen für die Nachtarbeiter an den mit grünem Filz bespannten Tischen konnten die Casinoangestellten in Wiesbaden einen Erfolg verbuchen. Allein in Mainz erreichten sie auch eine stufenweise Anhebung aller Vergütungen.

Ein Psychologe für das bessere Betriebsklima

In Wiesbaden stimmten die Streikenden vor allem aufgrund neuer Regelungen bei den Arbeitsbedingungen dem Schlichtungsvorschlag zu. Ab sofort soll hier ein Psychologe dafür sorgen, daß sich das bislang „verheerende Betriebsklima“ (HBV) verbessert. Bisher, so meint einer der Angestellten, der für die Automatenspiele zuständig ist, habe die Geschäftsleitung ein „Verfehlungsbuch“ geführt. „Bei zwei Einträgen gab es eine Abmahnung, bei drei Einträgen wurde der Mitarbeiter gefeuert: Methoden wie bei einer Sekte.“ Dieses „Verfehlungsbuch“ soll jetzt offizell abgeschafft werden. Bei zukünftigen Konflikten mit der Geschäftsführung soll der Psychologe vermittelnd eingreifen.

Noch bevor es zu dieser Schlichtung kam, hatten die Geschäftsführer der Spielbanken in Wiesbaden, Trier und Mainz versucht, Streikbrecher in ihre Casinos einzuschleusen. Mit Hilfe von Auszubildenden aus den Reihen der Croupiers und mit Studenten sollte das Geschäft weiterlaufen. Denn der Andrang spielwilliger Zocker blieb ungebrochen. Die hätten sich, sagt Brigitte Horstmann- Sprenger (HBV), zwar mit den Streikenden solidarisiert und ein paar Tage lang um die Spielbanken einen Bogen geschlagen. Doch das Publikum von Casinos bestehe eben in der Regel aus Spielsüchtigen: „Nach nur wenigen Tagen standen sie alle wieder auf der Matte – trotz der vielen warmen Worte für die streikenden Kollegen.“ Sauer auf die Spieler sei dennoch niemand gewesen, nur auf die „alerten Streikbrecher“. Denn viele der Zocker hätten ihre Trinkgelder direkt in die Streikkasse eingezahlt oder „mal 'ne Pizza vorbeigebracht“. Rund 600.000 Mark an Einnahmen seien den Casinobetreibern durch den Dauerstreik wöchentlich alleine in Wiesbaden „durch die Lappen gegangen“, glauben die GewerkschafterInnen von der HBV. 1995 erwirtschaftete allein die Spielbank in Wiesbaden 50 Millionen Mark Gewinn. Exakt 90 Prozent dieser stolzen Summe schöpften das Land Hessen und die Stadt Wiesbaden ab. Der Rest von fünf Millionen Mark floß in die Taschen der zwei Konzessionsnehmer.

Der Casinolohn richtet sich am Trinkgeld aus

Die Angestellten der Casinos müssen dagegen weiter mit dem Geld auskommen, das ihnen von der Geschäftsführung anteilig aus dem Tronc zugestanden wird. In diesen Tronc zahlen die glücklichen Gewinner unter den Zockern ihre Trinkgelder ein. Nach einem rigiden Punkesystem werden diese Gelder dann unter den Angestellten verteilt. Sichere Einkommen, sagt Horstmann-Sprenger von der HBV, gebe es deshalb für die Beschäftigten der Spielbanken nicht.

Da im Tronc der mit der maroden Spielbank Trier verflochtenen Mainzer Spielbank weit weniger Geld für die Angestellten hängenbleibt als in Wiesbaden, wurde in Rheinland-Pfalz länger gestreikt als in Hessen. Die Geschäftsführung reagierte auf ihre Weise: In Trier wurden die Streikenden acht Tage, in Mainz sieben Tage lang ausgesperrt.

In den Verhandlungen, die in der vergangenen Woche zu Ende gingen, konnte die DAG immerhin erreichen, daß die Spielbankangestellen, die den Streik aktiv mitgetragen haben, durch eine „Maßregelungsklausel“ im neuen Tarifvertrag vor möglichen Repressalien geschützt sind. In einer Urabstimmung votierten die Casionangestellten aufgrund der im Tarifvertrag festgehaltenen „stufenweisen Anhebung“ der Vergütungen auch in Mainz mit knapper Mehrheit für die Annahme des Verhandlungsergebnisses.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen