: Knapp vier Millionen ohne Job
■ Mäßige Frühjahrsbelebung auf dem Arbeitsmarkt. Konjunkturelle Entwicklung bleibt „enttäuschend“
Nürnberg (taz) – Lange hat es gedauert, bis der Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, endlich mal wieder positive Meldungen verbreiten durfte: Erstmals seit Jahresbeginn waren in Deutschland weniger als vier Millionen Menschen ohne Arbeit. Ende April waren 3.966.968 Menschen arbeitslos gemeldet, das sind 174.300 weniger als im März. Und dann waren die Zahlen gar nicht so positiv, wie sie klingen: Denn die günstige Entwicklung beruht „allein auf jahreszeitlichen Gründen“. Unter dem Strich stellten die Arbeitsmarktzahlen der konjunkturellen Entwicklung „kein gutes Zeugnis aus“. Zm erstenmal machte Jagoda eindeutig konjunkturelle und strukturelle Ursachen für die dramatisch schlechten Zahlen des vergangenen Winters verantwortlich und entlastete den Dauerfrost von seiner Schuld. Nach wie vor sei die Entwicklung „enttäuschend“.
Mit knapp vier Millionen Arbeitslosen liegt die Arbeitslosenquote derzeit bei 10,4 Prozent. Ein Jahr zuvor war sie noch um einen ganzen Prozentpunkt besser. In den alten Bundesländern waren bei den Arbeitsämtern Ende April 2,77 Millionen Arbeitslose registriert, in den neuen Ländern knapp 1,2 Millionen. Das entspricht Quoten von 9 beziehungsweise 16 Prozent. Knapp jeder Dritte zählt bereits zu den Langzeitarbeitslosen. Ohne arbeitsmarktpolitische Maßnahmen läge die Zahl noch einmal um 1,5 Millionen höher.
Da wirtschaftliches Wachstum derzeit mit der Lupe gesucht werden muß, kann von einer grundlegenden Stabilisierung oder gar einer Belebung des Arbeitsmarkts nicht die Rede sein. Auch angesichts eines „anhaltenden Rationalisierungsdrucks“ rechnen die Nürnberger Statistiker auch für 1996 im Durchschnitt mit 3,8 Millionen Arbeitslosen.
„Der Präsident resigniert nicht, das wäre eine Pflichtverletzung“, lautet Jagodas Durchhalteparole. Er hält es daher mit Appellen an alle Verantwortlichen, die „drängenden Probleme“ anzugehen. Bernd Siegler
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