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Anklage wegen Vergewaltigung fallengelassen

■ Das Haager Kriegsverbrechertribunal macht im Prozeß gegen den bosnischen Serben Dušan Tadić ersten Rückzieher. Zeugin schreckt vor neuer Aussage zurück

Den Haag (taz) – Die Bemühungen um Aufklärung und Ahndung sexueller Gewaltverbrechen während der Kriege in Bosnien und Kroatien haben einen erheblichen Rückschlag erfahren. Am gestrigen ersten Tag des Prozesses gegen den bosnischen Serben Dušan Tadić vor dem Den Haager Internationalen Kriegsverbrechertribunal wurde der Anklagepunkt „Vergewaltigung“ auf Antrag von Staatsanwalt Grant Niemann (Australien) fallengelassen. Niemann sah sich zu dem Antrag gezwungen, nachdem das Opfer der Vergewaltigung sowie sechs weitere Zeuginnen, die ihre Aussagen bereits schriftlich zu Protokoll gegeben hatten, nicht mehr persönlich vor dem Tribunal erscheinen wollten.

Nach Aussagen der internationalen Frauenrechtsorganisation Coordination of Women's Advocacy waren die Frauen und ihre Verwandten seit ihren Aussagen erheblichen Einschüchterungsversuchen und Drohungen ausgesetzt. Die Sprecherin der Coordination of Women's Advocacy, Elenor Richter-Lyonette, warf den Regierungen Deutschlands und anderer westeuropäischer Aufnahmeländer vor, Schutzprogramme für diese Frauen bislang „sträflich vernachlässigt“ zu haben. Das Tribunal selbst hat nur drei Mitarbeiterinnen, die für den ZeugInnenschutz verantwortlich sind.

Nach Erkenntnissen der Ermittlungsabteilung des Tribunals wurden während des Bosnienkrieges mindestens 20.000 zumeist muslimische Frauen Opfer von Vergewaltigung und anderen Formen sexueller Gewalt und Folter. Ein Großteil dieser geschlechtsspezischen Verbrechen wurde systematisch begangen und war Teil ethnischer Vertreibungskampagnen.

In der bisherigen Anklageschrift gegen Tadić waren diese als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und Verstoß gegen die Genfer Konvention eingestuft. Neben Tadić werden auch weiteren 50 der bislang vom Tribunal angeklagten 57 Männer sexuelle Gewalttaten zur Last gelegt.

Nach den gestrigen Eröffnungserklärungen von Staatsanwalt Niemann und Tadićs Hauptverteidiger Michail Wladimiroff (Niederlande) wird das Tribunal bis mindestens Ende nächster Woche ausschließlich Experten anhören. Sie sollen den Verlauf und historischen Kontext der Konflikte in Exjugoslawien sowie die Art der verübten Kriegsverbrechen erläutern. Erst danach will das Gericht unter Vorsitz von Richterin Gabrielle Kirk McDonald (USA) ZeugInnen aufrufen. Das Gericht gab dem Antrag von Verteidiger Wladimiroff statt, wonach EntlastungszeugInnen aus der serbischen Teilrepublik nicht persönlich vor dem Tribunal auftreten müssen. Ihre Aussagen können auf Videoband aufgenommen und per Satellit nach Den Haag überspielt werden. Andreas Zumach

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