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Ganz nett, aber zu unkritisch -betr.: "Alltagsgott + Nadelöhr", taz vom 14.1.1995

Betr.: „Alltagsgott + Nadelöhr“, 14.01.95

Hallo Leute,

als einer, der einige Jahre im beschriebenen Viertel gelebt hat, hier einige Anmerkungen zur Betrachtung von L. Schönemann:

-Zwar teile auch ich die Beobachtung, daß einige Läden am Mühlenkamp von Zeit zu Zeit den (Boutiquen-)Besitzer wechseln, leider scheint mir der Trend zur Veränderung/Aufwertung des Stadtteils jedoch nicht von der Hand zu weisen zu sein. Dies wird auch im Artikel durch die nostalgische Erinnerung des ehemaligen Studenten an den nunmehr verschwundenen Milchmann angedeutet.

Die Konsequenzen der Aufwertung attraktiver, innenstadtnaher Altbauviertel sind - auch in der taz - beschrieben worden:

-Modernisierung und Umwandlung in Eigentumswohnungen von ehemals günstigem Wohnraum führt - auch in Winterhude - zur Verdrängung wenig finanzkräftiger Wohnbevölkerung (z.B. alte Menschen, StudentInnen, MigrantInnen) und zum Zuzug finanzkräftigerer Schichten der Bevölkerung (z.B. gutverdienende MittelschichtlerInnen).

Nix Neues, aber leider im gesamten Artikel der taz keine Zeile wert.

-Weitere Folge der beschriebenen Aufwertung: Läden für den gehobenen Gebrauch (Mode, Möbel-Antikes, Bars etc.) nehmen zu, Alteingesessenes und vermeintlich nicht mehr zeitgemäßes verschwindet und verändert den Stadtteil.

-Auch die im Artikel beschriebenen Verkehrsprobleme hängen u.a. mit der kulturellen Attraktivität Winterhudes zusammen (Kampnagel, „Kneipenmeile“ Gertigstr. oder „der schönste Wochenmarkt Hamburgs“ (Zitat Szene Hamburg) am Goldbekufer) und verschärfen die Entwicklung.

FAZIT: Von der taz erwarte ich (auch in einer vielleicht nett gemeinten Wochenendreportage) mehr als diese belanglose Betrachtung des so beschriebenen Alltags, die vorhandene Entwicklungen und Probleme ausblendet und somit ignoriert. (...)

Sei's drum, vielleicht fällt die nächste Wochenendreportage etwas realitätsnäher und kritischer aus!

Thomas Nitzalmann

P.S. Ergänzung zum INFO-KÄSTCHEN:

„Auch das gibt es in Winterhude“: Das Stadtteilbüro INFO WINTERHUDE mußte seine Räume in der Schinkelstr. wegen einer nicht verkraftbaren Mieterhöhung zum 31.12.94 verlassen und versucht, seine Beratungsangebote in einem anderen Ladenbüro im Stadtteil weiterzuführen.

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