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■ KommentarTarifsystem kaputt

Der schwergewichtige Hamburger ÖTV-Boß Rolf Fritsch sorgt für Unruhe. Sein Vorschlag, Gewerkschaftsmitglieder durch kleine Zusatzvereinbarungen in Tarifverträgen für die Mühen der Gewerkschaftsmitgliedschaft zu entlohnen, hat verdeckt, worum es Fritsch eigentlich geht: Die Krise des deutschen Tarifsystems.

Polnische Schwarzarbeiter, ukrainisches LKW-Dumping, ungarische Billig-Baubrigaden oder Billigstseeleute auf sogenannten deutschen Schiffen – die heile Welt des deutschen Tarifsystems ist längst tot, der Auflösungsprozeß nimmt täglich dramatischere Formen an. In vielen deutschen Firmen wird längst unter Tarif gezahlt, haben die konkreten Arbeitsbedingungen wenig mit dem Manteltarif zu tun.

Auch öffentliche Dienstleistungen sind davon betroffen. Gebäudereinigung, Bundespost, Bundesbahn, Müllbeseitigung: Nur die Spitzen einer Privatisierungswelle, die den öffentlichen Dienst in frühkapitalistische Urzustände zurückkatapultiert.

Die Gewerkschaftsapparate reagieren darauf häufig mit dem Prinzip Wagenburg: Alte Besitzstände werden noch schnell abgesichert – die nächste Arbeitergeneration kann gucken, wo sie bleibt. Fritsch empfiehlt einen anderen Weg: Die Gewerkschaften müssen mit einer flexiblen, betriebsnahen Tarifpolitik kontern. Dazu aber müßten die Zentralen Macht nach unten abgeben.

Die ÖTV-Chefetage will davon nichts wissen. Ihr Motto lautet unverändert: Krisen können wir sowieso nicht lösen – allenfalls totschweigen. Selbst das aber fällt zunehmend schwerer. Fritsch sei dank.

Florian Marten

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