Käufliches Glück: Ein Paket voll Nasenschmeichler

■ Ein Zusammenschluß norddeutscher Bio-Gärtnereien liefert Prachtnelken und Stachelnüßchen per Post ins Haus

Josef Schumacher ist nicht der Typ für große Worte – aber für deutliche. Deshalb macht er keinen Hehl daraus, daß das Überleben als Bio-Gärtner nicht einfach ist – erst recht, wenn man wie er vor allem heimische Stauden zieht. „Geld ist immer knapp.“ Dafür gibt es nach Ansicht von Schumacher jede Menge großspuriger Kleingärtner. Wenn er jedenfalls seinen Efeu, seinen Farn, die Klematis, den Rhododendron oder die Minze auf dem Ökomarkt feilhält, komme mancher ziemlich großspurig daher: Dafür willste auch noch 5 Mark 50? Schenk' ich Dir. Wächst in meinem Garten wie Unkraut. Solche Sprüche bringen den Bio-Gärtner innerlich zum Kochen. „Wer das sagt, hat doch nicht verstanden, worum es geht. Außerdem, wer weiß, womit der seine Pflanzen traktiert?“ Schuhmachers Problem: Viele Menschen läßt diese Frage kalt.

Das Bio-Prädikat sei den meisten nur wichtig, wenn es ums Essen geht – und um den leckeren Geschmack, sagt er. Sowas ist Staudengärtners Pech. Zwar schont der in seinem Bio-Betrieb Umwelt und Grundwasser. Schumacher, dessen Gewächshäuser direkt in der Einflugschneise zum Bremer Flughafen liegen, setzt natürlich keine Herbizide und keine Pestizide ein. Auch auf chemische „Stauchmittel“ verzichtet er; statt dessen werden die Pflanzen per Hand zurückgeschnitten, bis sie schön füllig heranwachsen – aber auszahlen tut sich das nicht.

Auch das ewige biologische Töpferücken kostet Zeit: Während das Gros der herkömmlichen Gärtnereien Pflanzen nämlich per Düngemittelgaben auch im kleinsten Topf noch ziemlich groß kriegt, muß die Öko-Gärtnerei sogar für den Pflanztopf aus Pappe noch ein Quentchen Kompost zusetzen. „Die Pappe setzt Stickstoff um – also muß mehr Kompost drauf, also muß groß getopft werden – und umgetopft, wenn die Pflanze dann gut wächst.“ Diese Bioleistung bedeute Knochenarbeit, die niemand wirklich bezahle, sagt Schumacher, der ein studierter Agraringenieur ist. „Wir konkurrieren ja mit den Preisen der normalen Erzeuger.“ Dann fügt er hinzu: „Was heißt schon normal? Hornbach jedenfalls nicht.“

Mäkeligen Kunden, die zum Preisvergleich hereinschneien, rät er deshalb schon mal, ruhig im Baumarkt zu kaufen. Da ist Josef Schumacher ziemlich geradlinig – ohne daß er aus seiner Bioarbeit deswegen eine Religion machen würde. „An dem Punkt haben wir Bio-Leute uns sowieso sehr geändert“, sagt auch sein Kollege Herbert Vinken aus Dötlingen. „Die ganzen Weltverbesserungsideen tragen wir nicht mehr vor uns her.“

Neuerdings stehen sogar sehr handfeste Ideen im Vordergrund der norddeutschen Biogärtnerei: Vermarktung zum Beispiel. Erstmalig gründeten die acht Bio-Gärtnereien, die im Bremer und Südoldenburger Land existieren, in diesem Jahr dafür ein eigenes Pflanzenkontor. Dessen Kopf und Hand in einer Person ist Herbert Vinken. Der organisiert neben dem Anbau von Kräuter- und Aromapflanzen im eigenen Betrieb den zentralen Vertrieb für die ErzeugerInnengemeinschaft. „Ohne Handelsspanne. Der Gewinn soll zurück in die Unternehmen fließen.“

Auf schriftliche Bestellung verpackt Vinken die komplette Biogarten-Pflanzenpalette, von der Staude übers Heilkraut bis zu den Gehölzen und Kletterpflanzen. Was ins Paket soll, bestimmen KundInnen anhand des Lieferkatalogs, der fein säuberlich, in deutsch und lateinisch, auf 50 Seiten glanzlosem und bilderlosem Ökopapier erschien. Allein die Minze füllt darin mehr als zwei Seiten: In 25 Varianten taucht sie auf, von der Bachminze über die Kentucky Spearmint bis zur Roten Raripala. Als Auswahl ist sie auch im „Nasenschmeichlerpaket“ erhältlich – für die ökologische gesinnte Balkonbesitzerin beispielsweise. Zwölf Sorten zu 49 Mark plus Porto. Und auch frustrierte Hinterhofgärtner können das Glück künftig gebündelt ins Haus bestellen: Das Paket „Blühender Schattengarten“, beispielsweise verspricht für 95 Mark gleich 24 verschiedene Gräser und Farne, die auch unter dem verhaßten Birnbaum nicht kümmern werden.

Noch hat der Erzeuger-Zusammenschluß, der zum Teil aus langjährigen Bio-Betrieben, und zum Teil aus Gärtnereien in der Umstellung besteht, allerdings noch wenige Großstädter beliefert – auch wenn seine Mitglieder davon träumen, den Markt bis nach Hamburg oder Berlin zu erobern. Mehr noch: Irgenwann wollen sie auf eingeschliffenen Handelswegen vielleicht sogar andere Neuheiten unters Volk bringen. Biologisch angebaute Schnittblumen beispielsweise: Tulpen aus Bremen, Dötlingen oder Höltinghausen könnten die bunten Umwelttorpedos aus Holland ersetzen – allerdings sicher nicht mehr in diesem Jahr. „Erstmal muß unsere neue Vermarktungs-Schiene sich einspielen. Dann sehen wir weiter.“

ede

Katalog zu bestellen gegen drei Mark Porto bei: Pflanzenkontor, Stedinger Weg 16, 27801 Dötlingen-Nuttel, Tel. 04432-94003, Fax 04432- 94004,