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Die Tiere sind unsere besten Pädagogen

■ Eine Landheimschule für auffällige Kinder in Brandenburg

Durch das kleine Dorf Rädel bei Lehnin in der Mark Brandenburg fährt nur selten jemand durch. Das liegt vor allem daran, daß Rädel ein uraltes Dorf in der Form eines Hufeisens ist: Wer den Weg dorthin gefunden hat, muß später wenden und dieselbe Straße wieder zurückfahren.

Aber es tut sich was im Dorf: Auf dem Gelände der alten Ziegelei entsteht ein kleines Internat für verhaltensauffällige Kinder. Vorbild für diese Landheimschule ist die Kaspar-Hauser-Schule im Schwarzwald. Die anthroposophische Michaelgemeinschaft betreut das Projekt bereits seit zwei Jahrzehnten. Hier in Brandenburg ist ein Förderverein mit zwei Dutzend ehrenamtlichen Mitgliedern für die Landheimschule zuständig. Fünfzehn Mitarbeiter sind aktiv an dem Aufbau der Schule beteiligt.

Raganhild Zühlke ist die Initiatorin dieses Projekts. Vor vier Jahren suchte sie verzweifelt nach einer Schule, die ihr Kind aufnehmen würde. Als sie auch in der Waldorfschule keinen Platz fand und nur noch die Sonderschule blieb, wurde ihr klar, daß sie selbst die Initiative ergreifen mußte. Schließlich gibt es viele Kinder, die, als verhaltens- oder lerngestört abgestempelt, in kaum einer Schule einen Platz finden. Die notwendige individuelle Förderung kann der normale Schulbetrieb nicht leisten.

In Rädel soll alles ganz anders sein. Der Unterricht findet in kleinen Lerngruppen statt. Mitarbeit in Garten und Feld sorgt für Ausgeglichenheit und vermittelt neue Kenntnisse und Fähigkeiten. Der Kontakt mit Tieren spielt dabei eine wichtige Rolle. Während hyperaktive Kinder den Körperkontakt zu anderen Menschen oft scheuen, suchen sie oft die Nähe von Tieren. „Die besten Pädagogen, die wir haben, sind die Tiere“, sagt Dieter Krause, der als Hausmeister der Landheimschule einen neuen Beruf gefunden hat. „Die Tiere reagieren ganz unmittelbar auf das Verhalten der Kinder, werden entweder zutraulich oder scheu.“

Die Tierpflegerin Freya Winkler ist schon mit Hund und Pferd nach Rädel gezogen, ein zweites Pferd soll folgen, ebenso Schafe, Ziegen, Enten und ein Esel. „Die Reittherapie ist ganz zentral“, sagt Winkler. Reiten schult den Gleichgewichtssinn und fördert die Konzentration. Im Herbst wird der Schulbetrieb beginnen. Doch bis dahin ist noch viel Arbeit auf dem drei Hektar großen Ziegelei-Gelände zu bewältigen, die Gebäude standen lange Zeit leer, und manch einer hat seinen Trabi auf dem Gelände entsorgt. Aber die Motivation zum Engagement ist ungebrochen. Raganhild Zühlke: „Die Kinder haben ja ihre Probleme jetzt und können nicht ewig warten.“ Ursula Dohme

Kontakt: Förderverein Landheimschule Brandenburg – Werkstatt für soziales Lernen, Raganhild Zühlke, Tel.: 030/8017477.

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