: Bonner Sparer vor der letzten Hürde
■ Regierungsfraktionen stimmen Gesetzentwürfen für Sparpaket zu. Nur Eppelmann dagegen. Zehntausende protestieren
Berlin (taz) – Die geplanten Spargesetze der Bundesregierung haben eine entscheidende Hürde genommen: Mit überwältigender Mehrheit stimmten gestern die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP dem Paket zu. Nur der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Rainer Eppelmann, votierte gegen das Sparpaket. Die Abbaumaßnahmen sind in sechs Einzelgesetzen enthalten, die noch vor der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden sollen. Ihre Anahme kann – nach der gestrigen Abstimmung – nun als sicher gelten. Zudem erfordern die meisten Neuregelungen nicht die mehrheitliche Zustimmung des Bundesrats. Sie können von der SPD-Mehrheit im Bundesrat somit nicht blockiert werden.
Unter die nicht zustimmungspflichtigen Gesetze fallen folgende Sparhämmer: Ab dem Jahr 2001 müssen ArbeitnehmerInnen bis zum 65. Lebensjahr arbeiten. Wer früher in Rente geht, bekommt für jedes vorgezogene Jahr 3,6 Prozent weniger Altersruhegeld. Die Arbeitslosenunterstützung wird im nächsten Jahr eingefroren. Bei Krankheit gibt es nur noch 80 Prozent vom Lohn, als Ersatz dafür kann für fünf Krankheitstage ein Urlaubstag angerechnet werden. Für die 37 Prozent tariflich nicht eindeutig abgesicherten Arbeitnehmer kann der Lohn bei Krankheit somit ohne weiteres gekürzt werden. Das Krankengeld wird nach sechs Wochen Krankheit um 10 Prozent auf 70 Prozent des Bruttoentgelts gemindert.
Der allgemeine gesetzliche Kündigungsschutz soll nach den vorliegenden Gesetzentwürfen erst für Betriebe ab zehn MitarbeiterInnen gelten. Damit genießen im Westen fast ein Sechstel aller ArbeitnehmerInnen künftig keinen Kündigungsschutz mehr. Im Osten dürfte die Zahl noch ungünstiger sein. Ältere können somit leichter gefeuert werden.
Blockieren können die SPD-regierten Länder im Bundesrat dagegen unter anderem das Einfrieren der Sozialhilfe und die Verschiebung der Erhöhung des Kindergelds. Die Bundesregierung erhofft sich von dem Sparpaket Entlastungen in Höhe von mehr als 50 Milliarden Mark.
Mehrere zehntausend Arbeitnehmer haben gegen das Sparpaket und eine Nullrunde im öffentlichen Dienst protestiert. Im IG-Metall-Bezirk Küste nahmen 40.000 Menschen an Kundgebungen teil. 7.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst legten in fünf Städten Nordrhein-Westfalens vorübergehend die Arbeit nieder. Die Proteste waren Auftakt einer Kampagne, mit der in den kommenden Monaten Druck auf Regierung und Arbeitgeber ausgeübt werden soll. BD Seite 3
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