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IRA vor Waffenstillstand?

■ Englische Zeitung meldet Waffendeal zwischen IRA und russischer Mafia

Dublin (taz) – Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) steht kurz vor einem neuen Waffenstillstand. Das glauben zumindest die Geheimdienste in London und Dublin. Es heißt, Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams vom politischen Flügel der IRA habe sich durchgesetzt, um den am 10. Juni beginnenden Allparteiengesprächen eine Chance zu geben. Allerdings befürchten die Geheimdienste, daß die IRA vorher noch einen spektakulären Bombenanschlag in London verüben wird.

Sinn Féin darf nur an den Runden Tisch, wenn die IRA zuvor einen neuen Waffenstillstand erklärt. Die knapp anderthalb Jahre dauernde Waffenruhe war im Februar aufgekündigt worden, weil die britische Regierung die Verhandlungen immer wieder verschleppt hatte. Aus dem Briefwechsel zwischen dem britischen Premierminister John Major und seinem irischen Amtskollegen John Bruton geht hervor, daß die britische Regierung nicht das geringste Interesse an einem nordirischen Friedensprozeß hatte.

In den Briefen, die einer englischen Zeitung zugespielt worden sind, versuchte Major vergeblich, die Dubliner Regierung von der britischen Sichtweise zu überzeugen. Später baute Major immer neue Hürden auf, um den Beginn der Gespräche zu verzögern. Nach dem IRA-Anschlag im Londoner Finanzviertel Canary Wharf im Februar einigte man sich dann sehr schnell auf einen Termin.

Die englische Boulevardzeitung Mail on Sunday behauptet dagegen, daß ein erneuter Waffenstillstand nicht in Sicht sei – ganz im Gegenteil: Rußland wollte vorige Woche neun britische Diplomaten ausweisen, weil diese einem riesigen Waffendeal zwischen der russischen Mafia und der IRA auf die Spur gekommen seien, schrieb das Blatt gestern. Dabei soll es auch um hochradioaktives Material aus Atomanlagen in St. Petersburg und Sibirien gegangen sein.

Ob die IRA die Lieferung bereits erhalten habe, wußte die Sonntagszeitung allerdings nicht. Sie berief sich in ihrem Bericht auf einen Oberst der KGB-Nachfolgeorganisation FSB. Der behauptete, die IRA habe eine große Summe für Waffen und Nuklearmaterial unter der Abmachung gezahlt, daß die russische Mafia die Verantwortung für Lieferungen und den Schmuggel außer Landes übernehme.

Angeblich haben die britischen Diplomaten hohe Summen an russische Geheimagenten gezahlt, um an diese Informationen zu kommen. Einer der Agenten ist am vergangenen Montag verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt worden. Um die Ausweisung der neun Diplomaten zu verhindern, hat der britische Geheimdienst MI-5 eine Geheimliste mit den Namen der zehn russischen Topspione in Großbritannien aufgestellt, sagte ein Regierungssprecher am Samstag. Hätte der russische Präsident Boris Jelzin seine Ausweisungsdrohung wahr gemacht, wären im Gegenzug die zehn Russen ins nächste Flugzeug gesetzt worden. Ralf Sotscheck

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