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Trauerspiel um gemeinsame Probleme

■ Norddeutsche UmweltministerInnen beraten, bitten und beschließen Von Heike Haarhoff

Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) hatte Grund zum Aufatmen: Sie würden nicht tatenlos zusehen, versicherten seine AmtskollegInnen aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen gestern bei ihrer 33. norddeutschen Umweltministerkonferenz in Hamburg, wie die Hansestadt im Elbschlick versinke. „Die Entsorgung“, stellte die scheidende Kieler Ministerin Edda Müller (SPD) klar, bleibe ein „gemeinsames Problem“.

Deshalb habe sich „auch nach den Koalitionsverhandlungen“ an den Plänen für eine Deponie in Bovenau (Landkreis Rendsburg-Eckernförde) zur Lagerung des Hamburger Baggerguts „nichts geändert“: Die Kieler Grünen sind mit ihrer Wahlkampfforderung, die Hafenschlick-Verträge neu zu verhandeln und Hamburg zur eigenverantwortlichen Entsorgung zu zwingen, gescheitert. Allerdings soll die Deponie nur hergerichtet werden, falls die Einlagerung in den Salzkavernen bei Stade wider Erwarten unmöglich ist.

Bei ökologischer Unbedenklichkeit schreckt das norddeutsche Gremium auch nicht zurück, belasteten Schlick kostengünstig in den Tidegewässern und der Nordsee abzukippen. Das müsse nun untersucht werden, lautet einer der vielen gestrigen schwammigen Beschlüsse zum Gewässerschutz.

Große Sorge bereitet den fünf Umwelt-FreundInnen die schwermetall- bis radioaktiv verseuchte Brühe, die in wenigen Jahren aus den stillgelegten Uran-Bergwerken der Ex-DDR elbabwärts zu schwappen droht. Damit bestätigen die PolitikerInnen erstmals öffentlich Warnungen des Hamburger Chemie-Professors Arndt Knöchel, der die Schadstoffbelastung der Elbe derzeit im Auftrag des Bundesforschungsministeriums begutachtet (taz berichtete). Doch zu mehr als „Bitten“ an die Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sowie den Bund, „Maßnahmen“ gegen die zusätzliche Belastung zu treffen, reichte es nicht.

Dafür zu dem Beschluß, eine EU-Richtlinie zur Harmonisierung der Schiffsentsorgungsgebühren auf den Weg bringen zu wollen. Ein Zwangsentgelt, das automatisch mit den Hafengebühren verrechnet wird, soll künftig das heimliche Öl-Verkippen im Meer unattraktiv machen. Derzeit müssen die Reeder in den meisten Ländern pro Schiff eine gesonderte Gebühr entrichten; weil die staatliche Kontrolle begrenzt ist, wird hemmungslos illegal auf hoher See verklappt.

Zwischen 1988 und 1991 hatte ein Pilotprojekt der Bundesregierung – damals trug der Bund die Ölentsorgungsgebühren – bereits zu einem rapiden Sinken der Umweltkriminalität geführt. Aus Geldmangel wurde das Projekt nicht verlängert. „Es ist ein Trauerspiel“, so die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn (SPD), „daß fünf Jahre später keine Richtlinie existiert.“ Ziehen Bonn und Brüssel nicht mit, wird es künftig so bleiben. Die norddeutschen MinisterInnen aber haben ihr umweltpolitisches Gewissen beruhigt.

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