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Vor dem Wortbruch

Der Streit um eine höhere Verschuldung war absehbar. Schon bei der Bestellung der Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing hatten die CDU-Spitzen die Dolche gezückt, vorerst aber in der Schublade abgelegt. Nun hat der CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky die Messer herausgeholt, fuchtelt ein wenig damit rum und signalisiert der SPD: Es kommt auf euch an, ob ich sie wieder zurücklege. Daß die SPD in diesen Tagen mächtig ins Schwitzen kommt, bei einigen mag es bereits der kalte Angstschweiß sein, ist nur allzu verständlich.

Vor dem Debakel mit der Fusion schien die Partei im Aufwind – zumindest in ihrer öffentlichen Präsentation. Landauf, landab wurde ihre Finanzsenatorin dafür gelobt, die Ausgabenfreudigkeit der Hauptstadt in Grenzen halten zu wollen. Und, welch ein Wunder, die Partei hielt still und folgte ihr. Jetzt droht nicht nur Gefahr von außen, sondern auch von innen. Schon hat die Parteilinke um Landesschatzmeister Benneter eine Überprüfung des Sparkurses angemahnt, ist auch das Murren der SPD-Bezirksfürsten zu vernehmen. Sie müssen letztlich vor Ort verantworten, was auf Fraktions- und Senatsebene beschlossen wurde. Von Anfang an stand die neue Haushaltspolitik auf unsicheren Beinen. Das Stillhalteabkommen galt solange, wie die Fusion als Zukunftsprojekt am Himmel schwebte.

Jetzt aber, da der Ballon geplatzt ist und Berlin wieder auf sich selbst blickt, wird weitergefuhrwerkt wie in alten Zeiten. Landowsky hat, ein wenig früher als andere, das Unbehagen der alten politischen Klasse zum Ausdruck gebracht. Er tat es wohlkalkuliert, mit dem ihm eigenen Schuß Populismus. Vordergründig ist sein Ziel nicht haushalts-, sondern parteipolitischer Natur. Die Sozialdemokraten sollen als technokratische, herzlose Sparfetischisten vorgeführt, die CDU zum sozialen Gewissen und konservativen Gegenstück zur PDS aufpoliert werden. Bei seiner Absicht, die SPD öffentlich zu demontieren, weiß sich Landowsky jenes dumpfen Gefühls der Unzufriedenheit sicher, das angesichts des Sparkurses in der Gesellschaft wabert. Dies soll nun auf die SPD projiziert werden, in deren Schatten sich die CDU vom Sparkurs verabschiedet. Landowsky steht kurz vor dem Wortbruch in der Großen Koalition. Severin Weiland

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