Der fünfte Kontinent wird abgerüstet

■ Nachdem in Australien ein Mann mit einem Gewehr ein Massaker anrichtete, werden die Waffengesetze verschärft

Canberra (taz) – „Das Land hat sich entschieden, nicht dem amerikanischen Weg zu folgen“, so der australische Premierminister John Howard am Freitag abend: Nach langer Beratung hatten die versammelten Vertreter der australischen Bundesstaaten eine weitreichende Verschärfung der Waffengesetze beschlossen.

Die Entscheidung wird zum Einzug von über drei Millionen Waffen führen und damit wohl zu einer der größten Abrüstungsaktionen der Geschichte. Zwei Wochen nachdem ein Einzeltäter im tasmanischen Port Arthur 35 Menschen mit einem legal erstandenen Gewehr tötete und 19 schwer verletzte, rangen sich die Polizeiminister zu der Entscheidung durch.

Bis in die Nacht hatte die Ministerrunde in der Bundeshauptstadt Canberra getagt. Vor allem die Vertreter der Outback-Staaten Queensland und West-Australien hatten sich bis zur letzten Minute geweigert, den Privatbesitz sämtlicher automatischer und halbautomatischer Feuerwaffen zu verbieten. Schließlich wurde eine Ausnahmegenehmigung für den Besitz durch einige wenige Farmer aufgenommen, aber weitgehend setzten sich die Waffengegner durch.

Die Bilder der grausamen Ereignisse in Tasmanien setzten die politischen Spielregeln Australiens außer Kraft: Versuche, den Waffenbesitz einzuschränken, waren stets an dem Einfluß der Waffenlobby gescheitert – und an den Landesregierungen. Denn formal ist Canberra gerade einmal für die Genehmigung der Einfuhr von Waffen zuständig.

Nun war es ausgerechnet der frisch gewählte konservative Regierungschef Howard, der das scheinbar Unmögliche schaffte. Die konservativen Parteien, die seit März dieses Jahres die Bundesregierung stellen, waren bislang gegen die Einschränkung der vermeintlichen Rechte der Waffenbesitzer. Jetzt durfte Justizminister Darryl Williams Revolutionäres verkünden: „Der Besitz von Feuerwaffen ist kein Recht, sondern ein bedingtes Privileg.“

Der konservative Regierungschef ist auch für seine Haltung gegen einen Machtzuwachs der Zentralregierung bekannt. Ausgerechnet diese Reputation machte es ihm nun möglich, eine einheitliche Regelung durchzusetzen: „Das ist wie Chinas Anerkennung durch den Antikommunisten Nixon“, kommentierte ein Regierungsbeamter den Erfolg Howards.

Neben der Labour-Opposition unterstützte eine breite Öffentlichkeit die Linie der Zentralregierung: Aufgeweckt durch ein Massaker, kam es überall zu Demonstrationen gegen die Waffenlobby. Laut Umfragen unterstützten über 80 Prozent der Australier die Vorschläge für neue Waffengesetze.

Die Sonderkonferenz des Polizeiministers war deshalb die beste Chance seit Jahren, US-amerikanische Verhältnisse zu verhindern: „Wenn wir heute kein Übereinkommen erzielen“, so der tasmanische Premier Tony Rundle vor der entscheidenden Sitzung, „dann werden wir es nie schaffen.“

Noch ist der Erfolg nicht gesichert: Allein für Kompensationszahlungen werden Bundes- und Landesregierungen umgerechnet mindestens 360 Millionen Mark aufbringen müssen. Australiens Waffenlobby wird alles daransetzen, die Durchführung der Beschlüsse zu verhindern. Auch die praktische Umsetzung ist noch unklar: Bislang weiß niemand, was mit den Millionen Waffen passieren soll. Eric Chauvistré