: Wahlen im karibischen Ferienparadies
Morgen entscheidet die Dominikanische Republik über ihre neue Regierung. Viele fürchten, der greise Präsident Joaquin Balaguer könnte noch einmal in die Trickkiste greifen ■ Aus Santo Domingo Ralf Leonhard
„Das ist die Umfrage, das ist die wirkliche Umfrage“, brüllte Jacinto Peynado Sonntag nachmittag Zigtausenden Parteigängern entgegen, die einen der größten Plätze von Santo Domingo und die umliegenden Straßen in ein Meer von roten Kappen und Fahnen verwandelt hatten. Eingedenk der Tradition, daß die Dominikaner gern für den voraussichtlichen Sieger stimmen, versuchten am Wochenende alle Kandidaten mit möglichst großen Schlußveranstaltungen zu beeindrucken, um die Unentschlossenen im letzten Moment noch auf ihre Seite zu ziehen.
Am meisten haben die Anhänger des schwarzen Sozialdemokraten José Francisco Peña Gómez der Dominikanischen Revolutionspartei (PRD) das Straßenbild prägen können. Aber auch die Dominikanische Befreiungspartei (PLD), deren Fahnen in lila erstrahlen, konnte in den letzten Tagen viel Terrain gutmachen. Und Rot steht in der Dominikanischen Republik nicht für Sozialismus, sondern für die Christlich-Soziale Reformpartei (PRSC) des Mannes, der die Politik des Landes in den letzten 35 Jahren beherrscht hat: Joaquin Balaguer.
Balaguer, der im September 90 Jahre alt wird, darf bei den Präsidentschaftswahlen am Donnerstag nicht mehr antreten. Das ist der Preis, den er für den Wahlschwindel vor zwei Jahren zahlen mußte. Während der Wahlrat damals die Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses wochenlang hinauszögerte, handelten die vermutlich um ihren Sieg betrogene PRD und die USA einen Kompromiß aus, der das System von Grund auf reformieren sollte. Die Opposition erkannte das offizielle Ergebnis an. Gegenleistung: eine Wahlreform und die Halbierung der neuen Amtszeit Balaguers auf zwei Jahre.
Im reformierten Wahlgesetz ist erstmals eine absolute Mehrheit vorgeschrieben. Das soll verhindern, daß Balaguer sich wie 1990 und 1994 einen hauchdünnen Vorsprung erschwindeln kann. Es gibt drei ernstzunehmende Kandidaten: Jacinto Peynado, der amtierende Vizepräsident und Balaguer-Ersatz, José Francisco Peña Gómez von der PRD, der sich zum dritten Mal um die Präsidentschaft bewirbt, und Leonel Fernández, ein 44jähriger Anwalt, der in der ehemals linken PLD die Nachfolge des Expräsidenten Juan Bosch angetreten hat.
Balaguer, der politische Ziehsohn des 1961 ermordeten Diktators Rafael Leonidas Trujillo, der mit achtjähriger Unterbrechung (1978–1986) seit dreißig Jahren regiert, ist zwar fast erblindet, hört immer schlechter und kann sich aus eigener Kraft nicht mehr fortbewegen. Aber noch immer regiert er das Land im Stil der alten lateinamerikanischen Caudillos. Wenn er Straßen und Schulen bauen läßt, dann nicht in Erfüllung einer selbstverständlichen Aufgabe der Regierung, sondern als persönlichen Gnadenakt, der seiner Güte und der Großzügigkeit seiner Partei angerechnet wird.
Zwar hat sich die einstige Bananenrepublik in den letzten 20 Jahren modernisiert. Der Tourismus und die Exporte der Fertigungsindustrien aus den Freihandelszonen haben den Zucker als wichtigsten Wirtschaftsfaktor abgelöst. Nur die politische Entwicklung ist steckengeblieben. Unter der paternalistischen Herrschaft konnten solide Strukturen nicht entstehen. Es blühen Korruption und Klientelismus.
Deswegen haben alle Kandidaten – auch Peynado – die Verwaltungsreform auf ihre Fahnen geschrieben. PRD und PLD wollen sogar eine Konstituierende Versammlung wählen lassen, die die Verfassung gründlich überarbeiten soll. Auch sonst sind sich die Präsidentschaftsbewerber in den wichtigen Punkten einig: Ankurbelung der Wirtschaft, Schaffung von Arbeitsplätzen, gerechtere Einkommensverteilung...
Und so geht es im Wahlkampf kaum um Inhalte, sondern um Hautfarbe und Rassismus. Peña Gómez, ein glänzender Rhetoriker, konnte aus der rassistischen Propaganda seiner Gegner Kapital schlagen und unter der mehrheitlich mulattischen Bevölkerung das Votum zu einer Frage der Hautfarbe machen. Der Unternehmer Jacinto Peynado liegt in allen Umfragen hoffnungslos abgeschlagen. Das liegt an seinem fehlenden Charisma und daran, daß Balaguer seinen Wahlkampf boykottiert. Auch bei seinem Auftritt am letzten Sonntag gab der Staatschef keine klare Empfehlung für den Kandidaten seiner Partei ab.
Alle Kenner der dominikanischen Politik bestätigen, daß Balaguer auf Leonel Fernández setzt, dessen PLD im Parlament nur mit zwölf von 120 Abgeordneten und einem von 30 Senatoren vertreten ist. Um regieren zu können, muß er also paktieren. Wenn es, wie alle Umfragen prophezeien, am 30. Juni zur Stichwahl zwischen Peña Gómez und Leonel Fernández kommen sollte, wären Fernández die Mehrzahl der Stimmen der Regierungspartei sicher.
Vielleicht kommt es aber gar nicht dazu. Die Ernennung des wegen seiner Brutalität vorzeitig pensionierten Generals López y López zum Polizeichef läßt befürchten, daß nach den Wahlen gewalttätige Ausschreitungen provoziert werden sollen. Das wäre für Balaguer ein Anlaß, die Stichwahl abzublasen – und doch noch an der Macht zu bleiben.
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