"Die Qualität begreifen"

■ Die Agentur "Ökologie und Marketing" arbeitet ausschließlich für ökologisch korrekte Produkte. Interview mit dem Marketing-Fachwirt Michael Ständer

taz: Ihre Agentur arbeitet nur für Kunden, deren Produkte eindeutig ökologisch sind. Was tun Sie, wenn bei Ihnen Hoechst oder die Kraftwerksunion anklopfen und ein Werbekonzept haben wollen? Sagen Sie ab?

Michael Ständer: Wenn die Kraftwerksunion sagt, sie braucht beispielsweise für die Vermarktung ihrer Solaranlagen eine Konzeption, dann machen wir auch das.

Also beurteilen Sie einen Auftrag nach dem zu vermarktenden Produkt und nicht nach dem ökologischen Ruf einer Firma?

Wir gehen nicht nach dem Firmenruf allein. Auch Firmen, die hinsichtlich ihres ökologischen Betriebes einen schlechten Ruf haben, sind heutzutage gezwungen, sich mit den ökologischen Marktsegmenten zu befassen. Für uns zählt dabei die ökologische Wahrhaftigkeit des Produktes – der Hersteller oder Vertreiber ist dabei zweitrangig. Absatzförderung für ein ökologisches Produkt heißt, daß sich so viele Menschen wie möglich damit beschäftigen, dieses kaufen und verwenden. Je mehr Anbieter auf dem Markt den Verbrauchern dazu Gelegenheit geben, um so besser.

Nun kann ein Produkt niemals rundum ohne den kleinsten ökologischen Makel hergestellt werden, sondern immer nur so ökologisch wie nach dem Stand der Technik oder dem Gewissen des Produzenten irgend möglich. Wann ist nach Ihren Maßstäben ein Produkt ökologisch genug, um dessen Hersteller als Kunde zu akzeptieren?

Unser Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich Lebensmittel. Der Mindeststandard ist hierbei die EG-Bioverordnung 2092/91. Wenn ein Hersteller diese Verordnung erfüllt und das Produkt mit einer entsprechenden Kontrollnummer zertifiziert ist, dann ist für uns der Standard gegeben, um mit ihm zusammenzuarbeiten.

Bewegt sich Ihre Ermessensgrenze also in einer Art Katalog nach dem Muster „sehr ökologisch, ein bißchen ökologisch, gar nicht ökologisch“?

Die Übergänge sind fließend. Bei Lebensmitteln kennen wir uns aus. Wenn wir andere Unternehmen vermarkten – beispielsweise den Hersteller eines Sparsteuergerätes für Waschmaschinen –, dann müssen wir selber erst externe Fachleute fragen, ob dieses Produkt ökologisch sinnvoll ist. Grundsätzlich kann man einen Katalog nach dem von Ihnen genannten Schema nur sehr schwer aufstellen. Das merken wir gerade bei unserem Projekt Ökostadtplan Frankfurt. Da haben wir beispielsweise im Moment das Problem, vegetarische Restaurants einzustufen, die nur bestimmte Ökoprodukte wie Biobier oder Ökowein anbieten.

Sie planen, 22 dieser Stadtpläne herauszubringen. Wem nützen die?

Der Verbraucher soll wissen, welche ökologischen Produkte und Dienstleistungen er in seiner Region findet. Im herkömmlichen Branchenbuch findet man vielleicht „Biofarben“ und kauft dann beim Anbieter das Produkt. Im Ökostadtplan findet man jedoch auf einen Blick auch alle anderen ökologischen Angebote einer Region – von der ökologischen Geldanlage bis zu Lebensmitteln.

Wenn ich doch aber nur Biofarbe suche, dann will ich nicht gleichzeitig in einen Windpark investieren.

Viele Verbraucher sind aber grundsätzlich an ökologischen Produkten interessiert. Wer eine Biofarbe sucht und gleichzeitig feststellt, daß es in seiner Nähe noch weitere ökologische Angebote gibt, interessiert sich dann auch dafür. Das Interesse der Verbraucher fängt nicht mit der Biofarbe an und hört da auch noch nicht wieder auf. Wer erst einmal die Qualität von Biofarben begreift, fragt auch bei anderen Produkten nach deren inneren Qualitäten.

Sprechen Sie also hauptsächlich ökologische Newcomer an und weniger die harte ökologische Zielgruppe?

Wir sprechen auch die konsequenten Ökokäufer an. Aber es gibt eine Vielzahl von Menschen, die zwar an ökologische Produkte denken, aber nicht wissen, wo sie so etwas kaufen können. Diese Leute sollen informiert werden, wo in ihrer Nähe sie sich hinwenden können – und vor allem auch sehen, wie sie dort hinfinden. Wir gehen davon aus, daß wir auf diese Weise über die derzeitigen Käufer von Ökoprodukten hinaus Menschen erreichen, die ihre diffuse Ahnung von Ökologie konkret umsetzen. Wenn wir das schaffen, haben wir etwas erreicht. Interview: Andreas Lohse

Kontakt: Agentur Ökologie und Marketing, Mainstraße 143, 63065 Offenbach/Main, Tel. (069) 821565, Fax (069) 824684