: Lernen durch Identifikation
■ Wie kann der Holocaust pädagogisch vermittelt werden?
„Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung“, schrieb Theodor W. Adorno in seinem Vortrag Erziehung nach Auschwitz.
Das war 1966. Heute, da der Titel von Adornos Vortrag längst zum festen Begriff geworden ist, versuchen die Erziehungswissenschaftler Ado Abram und Matthias Heyl Lehrern und Pädagogen, denen die Aufgabe der Vermittlung von historischem Wissen über den Nationalsozialismus und den Holocaust zukommt, eine Hilfe zu geben.
In ihrem Buch Thema Holocaust – Ein Buch für die Schule wollen sie nicht nur die Unmenge an Literatur vermitteln, sondern auch praktische Lehrhilfen anbringen.
„Unfähigkeit zur Identifikation war fraglos die wichtigste psychologische Bedingung dafür, daß so etwas wie Auschwitz sich inmitten von einigermaßen gesitteten und harmlosen Menschen hat abspielen können“, schrieb Adorno. Seine Forderung nach dem „Hineinversetzen“ wird von Abram und Heyl noch erweitert: Auch für Opfer und Zuschauer – neben den Tätern die beiden anderen großen Betroffenen-Gruppen – verlangen sie nach „Empathie“, „der Fähigkeit, sich in andere Menschen und ,fremde' Situationen hineinzuversetzen“ – nur dadurch könne die „Indifferenz gegenüber dem Schicksal anderer“ durchbrochen werden.
In einer umfassenden Sammlung versuchen die Autoren, Materialien zur Dokumentation der drei unterschiedlichen Perspektiven zusammenzutragen. Gemäß der eigenen Forderung nach Identifikationsangeboten, haben sie in die Auszüge aus Tagebüchern, Briefen und Aufrufen, Gesprächsnotizen und Berichten auch eine lokalgeschichtliche Darstellung der Judenverfolgung am Beispiel von Harburg eingebaut. Kein Nachschlagewerk wollten die Autoren schaffen, sondern eine Sammlung von Arbeitsmaterialien. Und die liest sich auch dann aufschlußreich, wenn man sie nicht pädagogisch weitergeben soll. Thomas Plaichinger
Lesung morgen, 20 Uhr, Heine Buchhandlung, Schlüterstr. 1
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