: Die Sicherheit des Wartenden
■ Ilja Richter mit Kirchhoff-Monolog in den Kammerspielen
Vorn steht ein Conférencier, dessen Gestik perfekt sitzt, dessen Lächeln leichte Süffisanz über ein Publikum tropft, das nur eines will: einer Frau beim Entkleiden zusehen.
Der Ansager einer Striptease-Show gibt nicht auf hat Bodo Kirchhoff seinen 90-Minuten-Monolog eines in die Ecke gedrängten Handlangers genannt. Eigentlich besteht sein Job nur darin, einzuführen, überzuleiten und dann die Bühne freizumachen für Andrea, die Göttliche, deren „wohl letzter klassischer Striptease auf deutschem Boden“ er ankündigt. Doch Andrea kommt nicht, und der Ansager wird zum Lückenbüßer, zum Pausenclown, zum Überforderten. Die Maske seiner Sicherheit ist schnell verloren, die Unsicherheit des konzeptlosen Plapperers paßt erst ganz gut, doch sie ist nicht abendfüllend. Und allmählich entblößt er sich als Mensch, als Niete.
Ilja Richter spielt den Ansager in der Inszenierung von Detlef Altenbeck als vage Erinnerung an sich selbst vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren, die Rolle scheint ihm auf den Leib geschrieben – und trotzdem ermüdet der Monolog irgendwann. Zu gleichförmig bleibt sein panischer Tonfall, dessen Schnelligkeit natürlich die Unsicherheit rettend verkleistern soll. Zu hektisch gerät die Reihung immer neuer Themen, die angerissen und fallengelassen werden. Das scheint denn auch ein Dilemma des Abends zu sein: Kirchhoffs Unentschiedenheit zwischen der wirklichen Künstlichkeit, die der Demontage eine Richtung hätte geben können, und dem „Realistischen“ einer peinlichen Wartesituation, die realistischerweise aber höchstens 20 Minuten zu halten wäre. So läßt Kirchhoff den Wartenden über Mutterthemen, Männergruppen und Selbstfindung, ja gar Erotik plappern, Themen die immer nur behauptet, immer nur erwähnt, aber nicht genutzt, weitergeführt, ausgebaut werden. Letztlich ist dieser Ansager nicht nur von Andrea alleingelassen. Und was macht Ilja Richter? Er unterhält charmant – und geht zu wenig unter. tom
Am 25. Mai, 23 Uhr, Kammerspiele
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