Das Portrait: Mr. Supercool
■ Johnny Guitar Watson
Vor vier Wochen noch, beim Blues Festival in Leverkusen, glaubte niemand, daß dieser Mann schon 61 Jahre alt ist. Mit ansteckendem Lachen kam er auf die Bühne – immer noch hip und supercool, auch wenn er diesmal fast bieder gekleidet war mit Jackett und Bügelfaltenhose. Der Goldzahn blitzte unter der riesigen Sonnenbrille und dem Schlapphut. Er hängte sich die Gitarre über die Schulter, und mit seinen nackten Fingerkuppen holte er aus ihr diese metallisch- harten kurzen Töne heraus, die sein unnachahmliches Markenzeichen waren.
Der 1935 in Houston, Texas, geborene Watson war ein Pionier. Auf der Schellackplatte „Space Guitar“ setzte er, Anfang 1954, Verzerrer, Rückkopplung und Wahwah-Pedal ein, lange vor Jimi Hendrix. Erstmals in die Charts kam er mit der konventionellen Ballade „Those Lonely Lonely Nights“, mußte sich aber trotz Hit Geld als Studiomusiker dazuverdienen. Die nächsten 20 Jahre waren die Hits äußerst spärlich gestreut für Watson, der sich auch als Produzent und Komponist betätigte. „Gangster of Love“ etwa wurde durch Steve Miller bekannt, oder „Looking Back“ durch John Mayall. Zwischen knallharten Gitarrentiteln nahm er Gershwin-Balladen, Hank-Williams-Titel und eine Fats-Waller-LP auf – sowohl der Vielfalt wegen als auch um seinen luxuriösen Lebensstil zu finanzieren.
1974 tauchte Watson nach langer Pause wieder in den Charts auf mit „I Don't Want To Be a Lone Ranger“, verdiente viel Geld als Produzent von Little Richard und Nat Adderley, als Studiomusiker bei Frank Zappa und an Tantiemen. Damals beauftragten mich die Berliner Jazztage, eine Rhythm-'n'- Blues-Show zusammenzustellen. In Los Angeles sah ich bei einem Festival mehrere Wunschkandidaten, aber als Watson dann auf der Bühne seine Gitarre über die Schulter warf und in allen möglichen akrobatischen Haltungen besser spielte als die anderen, ging die Einladung an ihn. Wenige Monate später hatte er mit einer neuen Plattenfirma den großen Durchbruch als Funk- Musiker mit „Superman Lover“ und anderen Stücken, in denen er gängige Ghetto- Phrasen zu cleveren Songs ummodelte. Der beste – „Ain't That A Bitch“ – war für die Charts ein zu gewagter Titel.
Am Freitag erlag Johnny Watson im Blue Café in Yokohama, Japan, auf der Bühne beim Konzert einem tödlichen Herzinfarkt. Norbert Hess
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