: Politikfähig bleiben
So richtig es für die SPD war, das Finanzressort für sich zu reklamieren, so schwer tut sie sich, über die buchhalterische Klarheit hinaus gesellschaftliche Alternativen zu entwickeln. Die Aufgabe, den Landeshaushalt mit einem erträglichen Maß an Verschuldung auszustatten, ist schwer. Noch schwerer aber ist es, trotz leerer Kassen Alternativen jenseits der Bilanzen anzubieten. Darin aber, so scheint es, versagt die SPD-Spitze zur Zeit. Ja, sie treibt sich selbst in die Isolation. Gereizt werden Universitäten, Kultureinrichtungen und Gewerkschaften attackiert und wird damit Kredit bei gesellschaftlichen Gruppen verspielt, in denen die SPD noch verankert ist. Dabei wäre es an der Zeit, die Debatte um Haushaltskürzungen mit Modellen der Arbeitszeitverkürzung zu verbinden. Den Menschen nur vorzurechnen, daß so und so viele Kosten eingespart werden müssen, reicht als Sinnstiftungsprojekt nicht. Nichts wäre schlimmer für die Partei, als am Ende dieser Legislaturperiode zwar einen einigermaßen ausgeglichenen Haushalt präsentieren zu können, den Einfluß in wichtigen gesellschaftlichen Gruppen aber verloren zu haben. Bögers Äußerungen über die Schwerfälligkeit der Hochschulen, über die Engstirnigkeit der Gewerkschaften sind in vielem richtig. Immer stärker wird deutlich, daß die traditionellen Verteilungskämpfe keine Antwort auf das Zeitalter der Hochverschuldung sind. Nur: Attacken wie die von Böger entfernen die Partei von der ohnehin im Schrumpfen begriffenen Klientel, zu der der liberale Akademiker ebenso gehört wie der engagierte Gewerkschafter. Nutznießer ist die CDU. Sie kämpft, indem sie sich zurücklehnt und mit Schadenfreude der Selbstzerfleischung der sozialdemokratischen Milieus zusieht. Severin Weiland
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