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Unterm Strich

Wenn jemand stirbt, sind die Erinnerungen nicht mehr im Kopf, sie flattern mit den Gefühlen auf und ab, und versuchen, sich an Bildern festzuhalten. „Ein Blick aus dem Fenster, ein Blick auf die Uhr“, sang Nikolaus Utermöhlen bei einer Performance der Gruppe Die Tödliche Doris Mitte der achtziger Jahre. Er war als Desperado gekleidet, ruderte mit den Armen und schlich nervös lächelnd über die Bühne. Mit den schmalen Koteletten und einem weichen Zug um die Lippen schien er Montgomery Clift zu ähneln. 1990 hat sich Die Tödliche Doris aufgelöst, am Freitag ist Nikolaus Utermöhlen in Berlin an den Folgen von Aids gestorben.

Am 30. Juni 1958 in Würzburg geboren, kam Utermöhlen Ende der siebziger Jahre nach Berlin und gründete kurze Zeit darauf mit Wolfgang Müller die Performance- und Musikgruppe, die schon ein Jahr später ihre eigene Bewegung kreiert hatte: Geniale Dilettanten, Hausbesetzer-Noise, Neo-Dadaismus und Weltaufstandsplan. Im Nachhinein war alles nur zum Spaß geschehen, wie ein Spiel mit den Kategorien des Kunstbetriebs. Und sehr erfolgreich: Doris wurde 1982 ins Pariser Musée d'Art Moderne eingeladen, 1987 gastierte das um Käthe Kruse und Tabea Blumenschein angewachsene Quartett im Museum of Modern Art (New York) und auf der documenta. Manchmal fuhren sie auch nach Helgoland oder brachten eine eigene Weinmarke heraus: „Weißer Burgunder aus Schweigen“.

In der Zeit nach Doris blieb Utermöhlen bei der Malerei. Er arbeitete mit Farbverfremdung auf der Grundlage von Laserkopien, als hätte jemand die Kontraste beim Fernseher auf Psychedelik gedreht. Doch es ging ihm nicht um den Rausch, sondern ums Sehen: Wegen seiner HIV-Infektion hatte er Schwierigkeiten mit den Augen. Zuletzt waren die Bilder fast blendend von Farben. Ein Feuerwerk für den Augenblick, und nicht für die Ewigkeit.

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