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Zeitschenkel und Hardcore

■ Walter de Maria mit vier Objekten und einem Film in der Halle K

Auch innerhalb eines Rückblicks auf Kunst der frühen Siebziger Jahre gibt es noch Premieren: Erstmalig in Hamburg macht die Galerie Barlach am Klosterwall eine Einzelausstellung des New Yorker Minimalisten Walter de Maria. Hierzulande am bekanntesten dürfte sein „Vertikaler Erdkilometer“ von 1977 sein, ein imaginatives Kunstwerk aus einem versenktem 1000-Meter-Stab, der sich seit der documenta 6 in einer Tiefbohrung vor dem Fridericianum in Kassel befindet.

Der vor sechzig Jahren in Kalifornien geborene Künstler wurde Ende der Sechziger Jahre stark von John Cage, der neuen Kunstform der Performance und der meditativ-seriellen Musik beeinflußt. So ist sein dem Musikerfreund gewidmetes „Instrument for La Monte Young“ von 1966 eigentlich ein Spielgerät: Eine polierte Edelstahl-Kugel liegt in einem rechtwinkligen Kanal und soll trotz ihres distanzierten Objektcharakters benutzt und die so entstehenden Geräusche gehört werden.

Der aus dem gleichen Jahr stammende „High Energy Bar“ ist noch eine Erweiterung des Konzepts der Publikumsbeteiligung: Die Käufer dieser „Hochenergie-Stäbe“ werden zu einer verschworenen Kultgemeinde. Die Energie des Edelstahlstabs besteht in der Wertschätzung durch die Besitzer, denen ein Zertifikat und eine Dokumentation namentliches Weiterleben als Teil der Energie-Einheit gewährt. Der Minimalist tritt auf der Bedeu-tungsebene als Kultführer auf.

Eher witzig dagegen ist der „Kalender“: ein von der Wand abklappender Holzwinkel wird durch eine Kette mit 365 Gliedern gehalten. Jeden Tag wird die Kette ein Glied weiter eingehakt und die beiden Schenkel öffnen sich zu einem Bild der verstrichenen Zeit.

Zeit ist auch Thema des Films Hard Core von 1969, der lange Schwenks über endlose Wüste mit sekundenbruchteilkurzen Westernduellszenen zusammenschneidet, während als Ton eine eigene Komposition für Ozean und Schlagzeug unterlegt ist. Aus der Serie „bedeutungsloser“ Arbeiten zeigt die Ausstellung ein großes Blatt, auf dem als einziges in edler Präsentation handgeschrieben vermerkt ist „Bombay eate shit“. Da wird eine provokante Herablassung sichtbar, die heute ganz gewiß nicht mehr politisch korrekt wäre. Auch wenn diese Elle für Kunst ein ziemlich schlechtes Maß ist: Die Ausstellung hat trotz ihres retrospektiven Blicks auf eine abgeschlossene Werkphase eines Klassikers der Minimal-Art und neben der befreiend großzügigen Inszenierung doch etwas elegant-hochnäsiges.

Hajo Schiff

Halle K, Klosterwall 19-21, Di-Fr, 12-18, Sa+So, 14- 18 Uhr, bis 30. Juni

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