: SPD unterstützt Schul-Proteste nicht
■ Unterbezirksparteitag steht hinter Bildungssenatorin Kahrs / Streit um die Lehrer-Arbeitszeit
Mit deutlicher Mehrheit haben es die Delegierten des SPD-Unterbezirks Bremen-Stadt am Montag abend auf einem bildungspolitischen Parteitag abgelehnt, den Grundschul-Eltern, die mit Aktionen und Streiks ihrer Kinder gegen die Kürzungen im Bildungsbereich protestieren, ihre Unterstützung zu erklären. Der Ortsverein Peterswerder hatte dies für selbstverständlich gehalten und damit eine klare Kritik der Bildungssenatorin verbunden: „Die von der verantwortlichen Senatorin vorgestellten Zahlen zur Neueinstellung von Lehrerinnen und Lehrern sind angesichts des tatsächlichen Bedarfs nur als Augenwischerei und Mogelpaket zu bezeichnen“, findet der Ortsverein. Der Lehrer Reinhard Werner erklärte den Delegierten, warum: Wenn 100 Lehrer in Pension gehen und ihre Stellen wegfallen, könne man bei 30,5 neuen Stellen höchstens davon sprechen, daß „nur 69 Stellen gestrichen werden“, rechnete er vor.
Die große Mehrzahl der Delegierten fand das nicht so. „Gegen die CDU“ seien diese neuen Stellen erkämpft worden, begründete Bringfriede Kahrs ihre Art, mit den Grundrechenarten umzugehen, die SPD könne stolz darauf sein. Und die Delegierten spendeten Beifall.
Durch die auf Druck der Koalitionspartner neu geschaffenen Gymnasien seien die gymnasialen Zweige an den Sek-I-Zentren gefährdet, erklärte Kahrs: „Hier ist ein Abwehrkampf zu führen.“ Notfalls müßten bestimmte Kurse „schulartübergreifend“ unterrichtet werden, wenn die Gy-Klasse an den Schulzentren zu klein würden.
Auch die „Internationale Schule“ sei „kein Kind sozialdemokratischer Politik“, sondern auf Druck der CDU beschlossen worden, ein „unsägliches Thema“. Kahrs deutete an, wie ihre Behörde damit umzugehen gedenkt: Diese Schule „schadet wenigstens nicht der Bildungspolitik“, sagte sie, „wenn sich denn herausstellt, daß es überhaupt Bedarf dafür gibt“.
Für die Bildungspolitiker unter den SPD-Delegierten, unter ihnen Thomas Bendlin und der frühere Bildungssenator Horst von Hassel, war es der Sinn des UB-Parteitages, die Senatorin auf das sozialdemokratische Minimum in der Bildungspolitik festzulegen. „Bringfriede fehlt eigentlich etwas Aufgeschriebenes“, meinte Bendlin, „daß sie etwas in der Hand hat“, wenn sie mit der CDU verhandele. Und von Hassel stellte die bohrende Frage, ob denn aktuelle Parteibeschlüsse mehr wert seien als die guten bildungspolitischen Beschlüsse der SPD von 1992 und 1994, die allesamt nicht umgesetzt worden seien. „Erhalt aller SEK-I-Zentren“ steht diesmal in dem neuen Beschluß, „Straffung der Bildungsverwaltung“, „Einstellungskorridore“ für die überalterte Lehrerschaft, Erhalt der Vorklassen und ähnliches.
Heftig wurde der bildungspolitische Parteitag, als der Delegierte Fritz Dopatka, früher Staatsrat bei der SKP, vorrechnete, in Bremen müßten Lehrer weniger arbeiten als in allen Bundesländern und das mache Unterricht im Umfang von 250 Lehrerstellen aus. Während der Beschlußentwurf die „dumpfe Erhöhung der Pflichtstundenzahl“ ablehnte, wollte Dopatka hinzugefügt haben, daß aber dennoch die Lehrerarbeitszeit mit der der in anderen Bundesländern vergleichbar sein müsse – so „dumpf“ könne es bei Heide Simonis oder Gerhard Schröder nicht zugehen. Letztlich müßten doch angesichts der Finanzlage Bremens „die Interessen der Eltern und Schüler vorgehen“, gemessen an den Interessen der Lehrer.
Wenn in dem SPD-Beschluß ein Verweis auf die Arbeitszeit anderer Bundesländer drinstehe, werde ihr das von der CDU nur um die Ohren gehauen, widersprach Kahrs, denn „alle arbeiten länger als in Bremen.“ An diesem Punkt hielt es den SPD-Fraktionsvorsitzenden nicht mehr auf seinem Stuhl: „Nur gut, daß hier kein Vulkan-Arbeiter im Saal sitzt“, schimpfte er. Die Empfindlichkeit bei der Lehrerarbeitszeit passe nicht in den bremischen Kontext.
Weber wurde gerügt: Man sei gerade in der Geschäftsordnungsdebatte, erteilte ihm die Versammlungsleitung einen freundlichen Verweis. Und die Delegierten folgten ihrer Senatorin: Mit knapper Mehrheit lehnte der Parteitag den Gedanken ab, daß sich die Lehrerarbeitszeit in Bremen an anderen Bundesländern messen lassen müsse. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen