: Nullrunde stinkt den Müllmännern
■ Vor der entscheidenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst legten über hunderttausend Beschäftigte vorübergehend die Arbeit nieder. Die Arbeitgeber sind heute angeblich zu einem Angebot bereit
Berlin (dpa/AP) – Begleitet von weiteren Warnstreiks gehen die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst heute in die vierte und entscheidende Runde. Die Gewerkschaften verstärkten gestern mit einer neuen Serie von Arbeitsniederlegungen den Druck auf die Arbeitgeber. Bundesweit beteiligten sich rund 100.000 Beschäftigte an den Arbeitsniederlegungen.
Beobachter des Tarifstreits gehen davon aus, daß die Arbeitgeber heute in Stuttgart ein Angebot für ein Gesamtpaket machen. Der Verhandlungsführer des Bundes, Innenminister Manfred Kanther (CDU), erklärte erneut, die öffentlichen Kassen dürften nicht weiter belastet werden. Über Einzelheiten könne man aber reden. Er räumte ein, daß die Lage für die Gewerkschaften und deren Mitglieder schwierig sei.
Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) fordern für die rund 3,2 Millionen Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst 4,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt im Gesamtvolumen. Dazu gehört eine Angleichung der Ost- an die Westlöhne. Die Arbeitgeber von Bund, Ländern und Gemeinden wollen, daß die Arbeitszeiten verlängert sowie Einschnitte in die Lohnfortzahlung und das Weihnachtsgeld gemacht werden.
Der ÖTV-Vorsitzende Herbert Mai hat Kompromißbereitschaft bei der Lohnforderung signalisiert. Im Berliner InfoRadio sagte er gestern, die Gewerkschaftsforderung nach 4,5 Prozent mehr sei nicht das letzte Wort: „Das Ergebnis wird immer ein Kompromiß sein.“
Auch die Verhandlungen für die 200.000 Beschäftigten der Unternehmen Postdienst und Postbank werden heute wiederaufgenommen – mit Gewerkschaftsforderungen in gleichem Umfang.
Der Bonner Fraktionschef von CDU/CSU, Wolfgang Schäuble, warnte erneut die Gewerkschaften vor einem Konfrontationskurs.
In Städten von neun Bundesländern ruhte gestern wieder der Nahverkehr in den frühen Morgenstunden. Millionen Pendler kamen zu spät zur Arbeit. In einigen Städten legten Müllmänner und Straßenreiniger die Arbeit nieder. Auch Krankenhäuser waren betroffen. Zahlreiche Briefsendungen konnten im Bundesgebiet ihre Empfänger nicht erreichen. Auch in Verwaltungen, städtischen Energieversorgungsunternehmen und Rathäusern ruhte vorübergehend die Arbeit.
ÖTV-Chef Mai und der DAG- Verhandlungsführer Christian Zahn lehnten gestern erneut eine Nullrunde ab. Zahn forderte, die Arbeitgeber sollten auch bei der Anpassung der Vergütungen in Ostdeutschland von ihrer „Verweigerungshaltung“ abrücken. Bei der vierten Runde in Stuttgart gehe es um „Einigung oder Scheitern“. Beide Gewerkschaften haben ihre großen Tarifkommissionen einberufen, die über einen Abschluß entscheiden.
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