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Die Gewerkschaften nehmen die SPD in die Pflicht

■ Sozialdemokraten und Arbeitnehmervertreter im erprobten Schulterschluß: Gemeinsam das Bonner Sparpaket verhindern. SPD soll beim Mobilisieren helfen

Bonn (taz) – Die Kritik am Sparpaket der Bundesregierung schmiedet SPD und Gewerkschaften zusammen. Auf der ersten gemeinsamen Sitzung von SPD mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) wurden gestern in Bonn die Gemeinsamkeiten im Kampf gegen die Bundesregierung betont.

Die Gewerkschaften erklärten, daß sie zur Unterstützung ihrer Positionen auf die SPD setzen. Roland Issen, Vorsitzender der DAG, sagte unter großem Beifall seiner Gewerkschaftskollegen: „Ich erwarte, daß widersprüchliche Äußerungen sozialdemokratischer Spitzenpolitiker in wichtigen Fragen und Lösungsansätzen der Vergangenheit angehören. ArbeitnehmerInnen können nicht nachvollziehen, daß ihre Interessenvertretung im Deutschen Bundestag nicht weiß, was sie will.“

Auch DGB-Chef Dieter Schulte nahm die Sozis in die Pflicht. Im Anschluß an die Ankündigung einer Großkundgebung in Bonn für den 15. Juni sagte er: „Es wäre gut, wenn ihr dafür sorgt, daß auch in euren Wahlkreisen für diese Kundgebung mobilisiert wird.“

SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping betonte, Gewerkschaften und SPD müßten in „bedrängten Zeiten“ zusammenstehen. „Wir unterstützen die Gewerkschaften in ihren Bemühungen um sozialen Frieden.“ SPD und Gewerkschaften wiederholten die bekannten Positionen gegen das Sparpaket. Dieter Schulte ließ dennoch erkennen, daß er nicht ausschließlich auf einen Konfrontationskurs gegen die Bundesregierung setzt. Er forderte, am Bündnis für Arbeit festzuhalten. „Wir können nur dann die Arbeitslosigkeit bekämpfen und den Sozialstaat reformieren, wenn sich Staat, Wirtschaft und Gewerkschaften verständigen.“

Ein rhetorischer Höhepunkt gelang Rudolf Scharping. Mit bedeutungsschwangerer Stimme sagte er zu Beginn seiner Rede: „Ich wende mich dem Problem der Sprache zu.“ Die Koalition habe es verstanden, die SPD verbal in die Ecke zu stellen als „Traditionskompanie“ und „Ewiggestrige“. Die CDU rede von Konfrontationspolitik, sagte er schärfer werdend und lammfromm: „Wir dagegen führen einen Kampf um Gemeinsamkeiten.“ Dann warf er der Regierung vor, „eine dumme, sozial schädliche und für die wirtschaftliche Entwicklung höchst gefährliche Konfrontationsstrategie“ zu verfolgen. Von der taz auf den Widerspruch hingewiesen, stutzte er einen Moment: „Ich habe ja auch ein Interesse an pointierten Aussagen. Schließlich will ich die Regierung mit dem Sparpaket nicht durchkommen lassen.“ Marcus Franz

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