Londons EU-Veto verpufft

BritInnen stimmen gegen Aktionsprogramm zum Katastrophenschutz. Trotz Blockadepolitik reagieren Partner in Brüssel gelassen  ■ Aus Brüssel Christian Rath

Das schlimmste, was jetzt passieren kann, ist, daß John Major mit dieser Strategie die Wahlen gewinnt“, erklären MitarbeiterInnen der EU-Kommission unter der Hand. Noch einmal fünf Jahre Tory-Regierung, das ist eine Aussicht, die auch in Brüssel Knieschlottern verursacht. Ansonsten sieht man die am Montag angekündigte Politik der Nicht-Kooperation eher mit Gelassenheit. Da die BritInnen schon seit den Tagen Maggie Thatchers wenig kooperative VerhandlungspartnerInnen waren, dürfte das „neue“ britische Verhalten wenig zusätzlichen Sand ins Getriebe streuen.

Tatsächlich ist die Zahl der Entscheidungen, bei denen in der EU heute noch Einstimmigkeit erforderlich ist, gar nicht so groß. Vor allem bei der Verwirklichung des Binnenmarkts wird schon seit 1985 generell mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt. Konkretes Beispiel: In der nächsten Woche wird sich ein Ministerrat unter anderem um einheitliche Standards für diätische Lebensmittel und Silberwaren bemühen. Doch keine der fünf Abstimmungen können die BritInnen allein blockieren. Auf ihre Stimme kommt es nur dann an, wenn die qualifizierte Mehrheit knapp zu erreichen ist.

Daß die BritInnen es aber mit ihrer Obstruktionsdrohung ernst meinen, zeigte sich gestern, als die Kommission im Ministerrat ein Aktionsprogramm für den Katastrophenschutz vorschlug. Tatsächlich eröffnete der Vertreter der britischen Regierung, David Bostock, die Sitzung mit der Erklärung: „Wir sehen uns gezwungen, die heutige Tagesordnung unter dem Aspekt der Krise um BSE zu beurteilen.“ Die später folgende Gegenstimme der BritInnen blieb aber wirkungslos, weil auch die Niederlande das Aktionsprogramm ablehnten.

Wenig Eindruck hinterließ auch die britische Ankündigung, eine Konvention über die Angleichung der Konkursverfahren nicht zu unterzeichnen. Zwar halten alle Mitgliedsstaaten diese Konvention für wichtig, denn sie soll erschweren, daß bei einem Bankrott das im Ausland befindliche Vermögen schnell verscherbelt werden kann. Doch ist es mit der Unterzeichnung des Vertrags durch die Regierungen nicht getan. Da die Konvention kein echter EU-Rechtsakt ist, muß sie noch von den Parlamenten der 15 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Wie in deutschen Delegationskreisen zu hören war, dürfte dies „bis zu fünf Jahren“ dauern. Auf einige Monate Verzögerung bei der Unterzeichnung kommt es hier also nicht an.

Am meisten Sorge machte bisher die Ankündigung Majors, beim Euro-Gipfel in Florenz am 21. Juni eine Einigung über die Europol-Konvention zu verhindern. Mit diesem Vertrag soll eine vor allem gegen den Drogenhandel gerichtete europäische Polizei geschaffen werden. Offen geblieben war bisher allein die Frage, welche Kompetenzen der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei der Kontrolle der neuen Institution bekommen soll.

Die BritInnen versuchten bisher, den EuGH aus dieser Zusammenarbeit völlig herauszuhalten. Die anderen 14 Mitgliedsstaaten wollten aber wenigstens Streitigkeiten, die nichts mit dem Schutz der BürgerInnen vor Polizeiübergriffen zu tun haben, in Luxemburg klären lassen. Der EuGH könnte dann etwa bei Konflikten über die Finanzierung von Europol schlichten. Vor wenigen Wochen deutete sich ein Einlenken Londons an, das nun wieder in Frage steht. Die Regierungen sehen sich aber unter starkem Druck, Europol endlich starten zu lassen, weil sie die gemeinsame Polizei schon seit Jahren als Patentrezept gegen das „internationale organisierte Verbrechen“ präsentieren.

Während in Großbritannien am Dienstag ein Krisenstab zur Koordination der Anti-EU-Maßnahmen eingerichtet wurde, sah man in Brüssel keinen Anlaß, ein Gegengremium zu schaffen. Die Kommission sieht sich nicht als Hauptziel der Angriffe. „Es war doch die Kommission, die eine Lockerung des Exportverbots vorgeschlagen hat. Die britischen Drohungen richten sich gegen die Mitgliedsstaaten, die dies verhindert haben“, erklärte ein Sprecher.