Daimler-Vorstand wußte und schwieg

■ Nur zwei Prozent der Aktionäre stimmten gegen die Entlastung der Konzernspitze. Vorstandsmitglied Manfred Gentz wußte früh von den Verlusten

Stuttgart (taz) – Das Gewitter, das sich am Mittwoch bei der Hauptversammlung der Daimler- Benz AG über dem Vorstand und dem Aufsichtsrat zu entladen drohte, war nur ein Grollen ohne Blitzschlag. Als am späten Abend schließlich die Stimmzettel gezählt wurden, mit denen die Daimler- Aktionäre über die Arbeit von Vorstand und Aufsichtsrat im Krisenjahr 1996 zu Gericht saßen, hatten doch 98 Prozent der Klein- und Großaktionäre für die Entlastung der Konzernspitze gestimmt.

In der fast zwölfstündigen Aussprache in der Hanns-Martin- Schleyer-Halle waren zuvor heftige Vorwürfe gegen Ex-Daimler- Chef Edzard Reuter und seinen Nachfolger Jürgen Schrempp geäußert worden. Sie seien für die Verluste von 5,7 Milliarden Mark verantwortlich. Daimler hatte zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte den Aktionären keine Dividende ausgezahlt. Völlig gegen alle Tradition hatte daraufhin mehrere Banken ihren Kunden keine Empfehlung gegeben, den Vorstand zu entlasten.

Daß das Stimmungsbild und das Abstimmungsergebnis dennoch so weit auseinanderfielen, liegt am enormen Streubesitz der Daimler- Aktien. Rund 450.000 Aktionäre fielen sich insgesamt 63 Prozent des Daimler-Grundkapitals. Den Rest teilen sich die Deutsche Bank (24 Prozent) und der Staat Kuwait (13 Prozent).

Auf der Hauptversammlung waren rund 10.000 Aktionäre anwesend. Unter ihnen auch der Würzburger Wirtschaftsprofessor Ekkehard Wenger. Er hält die Daimler-Spitzenmanager für Lügner, weil sie auf der letzten Hauptversammlung den Aktionären nicht die Wahrheit gesagt hätten.

Von Wengers Vorwürfen hart bedrängt, gab am Mittwoch das Vorstandsmitglied Manfred Gentz erstmals zu, vor der betreffenden Hauptversammlung von den drohenden Verlusten gehört zu haben.

Laut Aktienrecht ist jedes Vorstandsmitglied dazu verpflichtet, seine Kenntnisse der wirtschaftlichen Entwicklung den Aktionären bekanntzumachen. Gentz verteidigte sein damaliges Schweigen nun damit, die ihm bekannten Zahlen seien noch nicht vom Gesamtvorstand geprüft gewesen. Zur Zeit ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, ob ein Verstoß gegen das Aktienrecht vorliegt. Philipp Maußhardt