■ Kommentar: Schattenspiele
Sie tut einem schon leid, die Große Koalition. Schweigend sitzen SPD und CDU die Probleme aus, die sie miteinander haben könnten. Ob sie überhaupt welche haben, ist manchmal nur schwer auszumachen. Ganz besonders schwer hat es die CDU. Die macht bei näherem Hinsehen auf vielen Feldern klassische sozialdemokratische Politik, muß dies aber ihrer Klientel gegenüber natürlich kaschieren – man will ja konservativ erscheinen. Wenn die Partner dann einmal Unterschiede formulieren – siehe die Frage der Neuverschuldung –, wird der Streit so schnell beendet, wie er aufkam. Zum Glück gibt es da die PDS. Ohne diese Partei müßte man sich Sorgen machen. Zum Beispiel um einen Mann wie den CDU-Fraktionschef Landowsky. Wo bliebe er mit seiner Polemik, mit seinen taktischen Winkelzügen? Diesmal half ihm die Wahl der PDSlerin Martina Michels zur Parlamentsvizepräsidentin. Das Faxgerät meldete: Schwere Belastungsprobe für die Große Koalition, Fundament der Stadt in Gefahr und so weiter. Um Gottes willen, fragt man sich da: Ist es endlich soweit? Die Große Koalition nach über fünf Jahren vor dem Ende? Leider ist alles viel banaler. Und deshalb auch gar nicht ernst zu nehmen. Die SPD-Fraktion hat nun mal Michels aus demokratischer Gepflogenheit mit gewählt, damit der Parlamentsbetrieb gut geölt weiterläuft. Mehr war es nicht. Das weiß natürlich auch CDU-Frontkämpfer Landowsky. Immerhin: Der Mann und seine Partei waren mal wieder auf allen Tickern. Alles nur Schattenspiele, aber pressetechnisch verdient Landowsky wie so oft die Note 1. Severin Weiland
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