■ Die Toten Hosen erzählen von ihrer Analphase
: Eine ganz feine Linie

Darf man sich über Leichen lustig machen, über Personen der Zeitgeschichte, auf denen schon nahezu sämtliche Polemiker und Satiriker von Rang herumgetrampelt haben? Nein, das ist verboten. In Deutschland gibt es sieben Menschen, über die niemand mehr Witze machen sollte: Helmut Kohl, Berti Vogts und Die Toten Hosen. In diesen Fällen ist Ernst gefragt!

Während Kohl und Vogts wenigstens unfreiwillig komisch sein können, gelingt der Düsseldorfer Hardrock-Gruppe nicht einmmal das. „Opium fürs Volk“ haben die Musiker zum Beispiel ihre aktuelle CD betitelt, und das ist ungefähr so lustig, als würde Helmut Kohl gestehen, er sei ein Knecht des Kapitals, denn tatsächlich ist die Musik der Toten Hosen exakt „Opium fürs Volk“ im klassischen Sinne. Sie sorgt dafür, daß dumme Menschen für immer dumm bleiben, und das ist so wahr, wie diese Seite „Die Wahrheit“ heißt.

Das bisher bestürzendste Zeugnis für die Witzlosigkeit und Gemeingefährlichkeit der Toten Hosen liefert die Bandbiographie „Bis zum bitteren Ende...“. DDR-Politiker heißen hier „Politniks“, Elton John „Brillen-Elton“, Steuern „Theo-Waigel-Dollars“ und Kostenaufstellungen „spröde Lyrik“. Das klingt so, als wollten sich Die Toten Hosen schon jetzt als Stellvertreter Udo Lindenbergs auf Erden profilieren, obwohl der doch noch gar nicht abgetreten ist. Noch unangenehmer ist die nicht einmal mehr billig zu nennende Ironie, die sich im exzessiven Verbrauch von Fußballphrasen niederschlägt: „Alle fünf waren wir richtig in Spiellaune, mentalmäßig gut drauf, wie mein Lieblingskicker Jürgen ,Kobra‘ Wegmann sagen würde.“ – „Auswärts hui, zu Hause pfui, hätte unser Lieblingssportreporter Hajo Rauschenbach gesagt.“ – „Wir waren ein ,Top-Act‘ geworden in Deutschland... Wir standen auf einem Uefa-Cup-Platz und sahen erleichtert zu, wie allmählich Geld in unseren Laden floß.“ Als es noch nicht floß, war das Leben nur Kacke: „Ich ließ mich morgens in den Kackbus fallen und fuhr in dieses Kackgymnasium, wo mir igendeine Kacke unterbreitet wurde, das alles interessierte mich nicht.“ Herrje, bekommt man Kacke wirklich „unterbreitet“? Allemal besser bekommen wäre die Formulierung: „...wo mir irgendeine Kackstelze mit irgendwelcher Kacke auf die Eier ging.“

Des weiteren ist zu lesen, die Musiker seien früher Kokainisten gewesen, dann aber doch zu der Erkenntnis gekommen, daß es „eine ganz feine Linie“ gibt „zwischen dem Spaßhaben, wo du deine Dinge trotz Drogen noch geregelt kriegst, und völligem Abdriften, wenn es in jeder Hinsicht asozial wird“. Daraus dürfte der Leser aber keine voreiligen Schlüsse ziehen: „Wir sind nicht... Lothar Matthäus im T-Shirt, wir sagen nicht ,Laß es sein!‘“

Das ist eine nicht gerade subtile Lüge, denn natürlich sind Die toten Hosen nichts anderes als Lothar Matthäus im T-Shirt, genauer gesagt: Lothar Matthäus im T- Shirt, der Opium fürs Volk verkauft. Im Ernst! René Martens

„Bis zum bitteren Ende... Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte“. Kiepenheuer & Witsch, 317 Seiten, 29,80 DM