: Französische Mönche ermordet
■ Algerische Fundamentalisten bekennen sich zu der Tat. Großes Entsetzen bei Christen und Muslimen in Paris
Paris (taz) – In regelmäßigen Abständen führten die Trappisten im 70 Kilometer südlich von Algier gelegenen Kloster Tibehirine geheime Abstimmungen über eine Frage durch: „Wollt Ihr trotz der Morddrohungen der ,Bewaffneten islamischen Gruppe' (GIA) bleiben?“ Das Ergebnis war immer einstimmig. Es lautete „Ja“. Sieben Mönche aus dem Orden bezahlten ihre Entschlossenheit mit dem Leben: Sie wurden am Dienstag von der GIA enthauptet.
Gestern mittag bestätigte die französische Regierung die Meldung vom Tod der Mönche, die bereits seit dem Vorabend bekannt war. In einem von ihrem militärischen Chef Djamel Zitouni unterzeichneten Schreiben an einen marokkanischen Radiosender hatte die GIA die Morde bekanntgegeben. „Ihr Opfer gibt uns eine Lektion“, sagte Staatspräsident Chirac in einer ersten Reaktion auf das Verbrechen. Sein Premierminister Alain Juppé sprach von Barbarei. Die Spitzen der christlichen und muslimischen Glaubensgemeinden in Frankreich, die sich seit der Entführung der Trappisten am 27. März gemeinsam für deren Freilassung eingesetzt hatten, äußerten ihr Entsetzen über das Verbrechen. Der Pariser Kardinal Lustiger blies am Donnerstag abend die sieben Kerzen in der Kirche Notre Dame aus, die bei einer ökumenischen Messe von Christen, Juden und Muslimen für die Geiseln aufgestellt worden waren. Der Rektor der„Großen Moschee“ von Paris, Boubaker, hielt für die Opfer ein ökumenisches Freitagsgebet ab. Der Papst sprach von dem vielleicht schlimmsten Kapitel in der Geschichte Algeriens.
Vergeblich hatten Einheiten des algerischen Militärs in den vergangenen zwei Monaten die Umgebung des in den Bergen von Medea gelegenen Klosters durchkämmt. Wie gestern bekannt wurde, waren die Opfer dort in unterirdischen Stollen versteckt. Die Entführer hatten in einem Video an die französische Botschaft in Algier verlangt, daß Paris alle militanten algerischen Islamisten freilassen solle. Entgegen anderslautenden Gerüchten bestreiten sowohl Paris als auch der Vatikan, Verhandlungen über eine Freilassung der Geiseln geführt zu haben. Die GIA begründet die Morde mit der Weigerung der französischen Regierung, Verhandlungen aufzunehmen.
Nach der Entführung eines französischen Airbus im Dezember 1994 und der Attentatswelle im vergangenen Sommer in Paris erleben viele Franzosen die jetzige Entführung und Ermordung als erneuten schweren Schlag algerisch- islamischer Fundamentalisten gegen Frankreich. Premierminister Juppé forderte alle französischen Staatsangehörigen auf, Algerien zu verlassen – Ordensleute eingeschlossen. Bischof Claverie aus der algerischen Stadt Oran antwortete umgehend: „Ich bleibe“, sagte er im französischen Fernsehen, „wir sind bereit, unser Leben zu geben.“ Dorothea Hahn
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