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SPD verteidigt den Standort Deutschland

■ US-Unternehmen kritisieren die zu hohen Produktionskosten in Deutschland. SPD-Politiker versprechen niedrigere Steuern und Lohnnebenkosten

Bonn (taz) – Gibt es für ausländische Unternehmen überhaupt noch einen Grund, in Deutschland zu investieren? Bei einem Treffen von Rudolf Scharping, Gerhard Schröder und Ingrid Matthäus- Maier mit fünfzig Vertretern führender US-amerikanischer Unternehmen in Deutschland konnte der Eindruck entstehen, die Frage müsse eindeutig mit Nein beantwortet werden. Deutschland hat die höchsten Steuern in Europa, die höchsten Löhne, die höchsten Lohnnebenkosten, die meisten Feiertage – so lautete jedenfalls die Beschwerdeliste der Firmenvertreter. Eine mögliche Ökosteuer finden sie erst recht abschreckend.

Der Chef der US-amerikanischen Firma Motorola in Deutschland, Hersteller von Mobiltelefonen mit 2.800 Mitarbeitern, kam ohne Federlesen zur Sache: Wegen der hohen Produktionskosten in Deutschland habe man 1994 zunächst die Funkgeräteproduktion von Deutschland nach Irland ausgelagert und dann den Geschäftsbereich Funkstationen nach England verlegt. Der Bereich Entwicklung soll folgen. Während Motorola in England 750 Millionen Mark investiere, seien es in Deutschland, dem größten Industriestandort Europas, „lächerliche“ 80 Millionen Mark.

Der Geschäftsführer des Waschmittelherstellers Procter & Gamble nannte Zahlen, die auch für sein Unternehmen die Frage nach einer Verlagerung aufwerfen. Die Lohnnebenkosten seien im Vergleich zu England 2,2mal höher. Die Ausfallzeiten wegen Krankheiten seien 1,5mal so hoch wie in England und dreimal so hoch wie in Italien. Und die Führungskräfte seien um 20 Prozent teurer als in England. Die vielgepriesene Arbeitsproduktivität in Deutschland könne dies nicht mehr wettmachen. Seit den achtziger Jahren sei sie lediglich um sieben Prozent gestiegen, in England dagegen um 18 Prozent. Zudem habe Deutschland mit 58 Prozent Ertragssteuern in den Vereinigten Staaten den Ruf als Höchststeuerland.

Das wollten die SPD-Politiker jedoch nicht auf sich sitzen lassen. Laut Gerhard Schröder, der als ehemaliger wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD durchaus auch immer wieder die zu hohen Kosten am Standort Deutschland für die Wachstumsflaute verantwortlich machte, liege die Bundesrepublik bei den Steuern im Mittelfeld. Fraktionschef Scharping meinte gar, Deutschland sei das Land mit den niedrigsten Realsteuern. Es gebe mehr Abschreibungsmöglichkeiten, mehr legale Schlupflöcher als anderswo. Und er rechnete ein Beispiel vor: Ein Unternehmer, der eine Million Mark mit lediglich 25 Prozent versteuert, steht auch nicht besser da als ein Kollege, der zwar 50 Prozent Steuern zahlt, aber wegen Absetzungsmöglichkeiten bloß eine halbe Million Mark zugrunde legen muß.

Scharping räumte aber ein, daß Steuern und Lohnnebenkosten in Deutschland zu hoch seien. Dies wolle seine Partei ändern, versprach er. Gerhard Schröder kündigte an, daß die SPD über die Vermögenssteuer mit sich reden lasse. Finanzexpertin Ingrid Matthäus- Maier will sich dagegen lediglich für den Abbau der betrieblichen Vermögenssteuer einsetzen, unter der Voraussetzung einer unternehmerischen Gegenfinanzierung. Gegenüber der taz erklärte sie, daß Deutschland nach wie vor ein attraktiver Wirtschaftsstandort sei. Es werde häufig vergessen, daß es hochqualifizierte Leute gebe und vergleichsweise wenig Streiktage. Markus Franz

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