piwik no script img

Bremens Schulen auf Protest gestimmt

■ Gestern kamen 2.000 aus Bremerhaven, heute Unterrichtsboykott, morgen Großdemonstration

„Jetzt ist keine Zeit mehr für Demonstrationen. Der Senat hat seine Entscheidung getroffen, eine neue Entscheidung wird es in diesem Jahr nicht mehr geben. Ich bitte das, zur Kenntnis zu nehmen.“ Rund 2.000 SchülerInnen waren gestern offenbar nicht deshalb aus Bremerhaven angereist, um sich mit diesen Sätzen von Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs abspeisen zu lassen. Das Pfeifkonzert, mit dem sie den Auftritt der Senatorin auf ihrer Demo auf dem Marktplatz quittierten, war lauter als der Rest der Senatorinnen-Rede aus dem Lautsprecherturm.

„Bremerhavener Klassen sind voller als Bremer“, hatten die DemonstrantInnen aus der Seestadt geklagt. Und die Zahlen aus der Bremer Bildungsbehörde bestätigen dies. Während in Bremen eine LehrerIn im Durchschnitt für 14,9 SchülerInnen sorgen muß, sind es in Bremerhaven 16,1. Genau 100 Neueinstellungen wären in Bremerhaven erforderlich, um dieses Gefälle zu beseitigen. Doch die Demonstration war zurückhaltend und forderte lediglich 19 davon. Zehn hat der Senat bewilligt – „und damit Bremerhaven um das Doppelte begünstigt gegenüber Bremen Stadt“, wie die Bildungssenatorin sich auszudrücken versuchte. Gemeint war wohl, daß sich die nach Neueinstellungen und Pensionierungen verbleibende Zahl der LehrerInnen in Bremen im nächsten Jahr schneller reduzieren wird als in Bremerhaven.

Kein Wunder also, daß sich auch die Bremer Schulen nicht mit den bildungspolitischen Beschlüssen der Großen Koalition zufriedengeben wollen. Mit einem für heute angekündigten Unterrichtsboykott und einer Großdemonstration am Donnerstag wollen sie ihren Protest öffentlich kundtun. „20 bis 30 Schulen wollen sich an dem Boykott beteiligen, zur Demo rechnen wir mit 8.000 Teilnehmern“, kündigte der Sprecher der GesamtschülerInnen-Vertretung (GSV), Burhan Cetinkaya, gestern an.

Dem Protestaufruf haben sich auch die LehrerInnen-Gewerkschaft GEW, der Zentralelternbeirat und der AStA der Universität angeschlossen. AStA-Sprecher Christian Wiechert wollte gestern allerdings lieber noch keine Prognose über die studentische Beteiligung abgeben: „Trotz der geplanten Einschnitte beim Bafög und bei der Arbeitserlaubnis lassen sich Studenten nur schwer motivieren.“

Die Bildungsbehörde hat in einem Rundbrief alle Bremer Schulleitungen aufgefordert, „Eltern ausdrücklich auf die Schulpflicht ihrer Kinder hinzuweisen“. Es müsse gewährleistet sein, „daß Kinder, deren Eltern sich nicht an Boykottmaßnahmen beteiligen, durch die Schule unterrichtet werden“. An eine gesetzlich mögliche Verhängung von Bußgeldern denke man jedoch nicht, erklärte die Sprecherin der Bildungsbehörde, Erika Huxhold.

Die Junge Union hält die Streikaufrufe für „töricht und dumm“, teilte sie gestern mit. Schließlich wüßten „nicht einmal zehn Prozent der SchülerInnen, wogegen sie streiken sollen“. Um diesem Problem zu begegnen, hat die GSV ihre Forderungen in einer Broschüre zusammengefaßt, die seit Wochen in den Schulen verteilt wird.

Die Großdemonstration am Donnerstag findet als Sternmarsch statt und endet um 12 Uhr mit einer Kundgebung vor dem Bildungsressort in der Rembertistraße. Beginn ist um 9 Uhr an der Gesamtschule Ost, um 9.20 Uhr an der Gesamtschule West, um 10 Uhr an der Universität, um 11 Uhr am Leibnizplatz und am Hauptbahnhof. Ase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen