: Kompetenz hinderlich - betr.: Leserbrief Dirk Fischer, taz vom 23.5.1996
Betr.: Leserbrief Dirk Fischer in der taz hh, 23.5.96
Liebe LeserInnenbriefredaktion,
Kompetenz ist in der Politik oft hinderlich, das zeigen im besonderen Maße die Diskussionen um den Transrapid. Konstruktive Lösungsansätze zu finden heißt m. E. auch, sich Sachargumenten nicht zu verschließen.
Daß ohne Transrapid eine Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitstrasse fällig wäre, hat Herr Fischer auch schon in der Bundestagsdebatte am 9. d. M. mit Hinweis auf die Anhörung am 15. 5. 94 behauptet. Kein Wort darüber, daß in der Anhörung 2 Jahre später am 7. 2. 96 der Vertreter der DB AG bestätigt: 1. Für den Ausbau der (bestehenden) Bahnstrecke ist rund eine Milliarde DM erforderlich (Seite 108 des Protokolls vom 7.2.96), 2. auf absehbare Zeit bestehen keine Kapazitätsprobleme im Güterverkehr in diesem Korridor (S. 109), 3. für die Bewältigung der prognostizierten Reisendenzahl durch Transrapid oder Bahn liegt die Zahl neuer Arbeitsplätze in der gleichen Größenordnung von 600 (S. 47).
Wenn die Transrapidbefürworter die ökologischen Argumente z. B. des BUND nicht zur Kenntnis nehmen, heißt das noch lange nicht, daß diese nun obsolet sind. Natürlich verbraucht ein Transrapid, der in 60 Minuten von Hamburg nach Berlin schwebt, mehr Energie als eine Bahn in 90 Minuten. Und für die mehrheitlich ebenerdig geführte Transrapidtrasse wird eben doch mehr Fläche verbraucht als für den Ausbau einer vorhandenen Bahnstrecke. Herr Fischer erweist sich als „ewig Gestriger“ und legt den Schluß nahe: kein Glücksfall in Hamburg.
Nein, es geht auch nicht um die Bewältigung von Infrastrukturproblemen. Es geht allein um die Unterstützung einer Industrie mit kleinmütigem, risikoscheuendem Management.
Wären die Pioniere der Eisenbahntechnik Europas und Nordamerikas im vorigen Jahrhundert ebenfalls mit Blick auf Staat und aufgehaltener Hand vorgegangen, hätten wir wahrscheinlich heute noch die Pferdedroschke. Es waren von privater Finanzkraft und risikobereitem Unternehmertum getragene Privatgesellschaften, die Fuhrpark, Infrastruktur und Schienenwege schufen.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Noack
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