: Besetzer bei der Finanzsenatorin
■ 30 Studenten besetzten Büro von Fugmann-Heesing. 2.000 Jungakademiker pfeifen Wissenschaftssenator Radunski aus
Die Proteste gegen die Sparmaßnahmen an Universitäten und Schulen gewinnen an Schärfe. Gestern rückten erstmals Studentinnen bei der Finanzverwaltung an und besetzten für gut zwei Stunden das Büro von Senatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD). Die 30 JungakademikerInnen protestierten gegen die Reduzierung von derzeit 100.000 auf 85.000 Studienplätze. Sie verlangten, daß die Milliardensummen für die drei Tiergartentunnel und den Messeausbau zugunsten der Bildung umverteilt werden.
Die Senatorin nahm sich für die unangemeldeten Besucher eine Viertelstunde Zeit. In der lebhaften Debatte beharrte sie auf den Sparbeschlüssen des Senats: Der Haushalt müsse konsolidiert werden, „sonst läuft in zehn Jahren gar nichts mehr“. Bei der Frage einer Umverteilung von Mitteln aus Investitions- in Bildungstöpfe fühlte sie sich als Finanzsenatorin nicht zuständig. Indirekt verwies sie damit die Besetzer an die Adresse von Wissenschaftssenator Peter Radunski, Bausenator Jürgen Klemann (beide CDU) und Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD). Nach dem Gespräch zogen die StudentInnen unzufrieden, aber friedlich zum nahe gelegenen Roten Rathaus am Alexanderplatz.
Wissenschaftssenator Peter Radunski hatte sich bereits einen Tag zuvor heftiger Kritik aussetzen müssen. Auf Einladung der Astas von FU, TU und der Humboldt- Universität hatte er sich im völlig überfüllten Audimax an der Straße Unter den Linden rund 2.000 Studenten gestellt. Er wolle trotz der Kürzungen die internationale Konkurenzfähigkeit der Hochschulen erhalten. Nach Radunskis Aussagen will der Senat bis zum Jahr 2000 an den Universitäten insgesamt 250 Millionen Mark einsparen. Radunski konnte nur selten seine Sätze zu Ende bringen, weil das Auditorium ihn immer wieder auspfiff.
Am selben Abend protestieren in Zehlendorf 7.000 Demonstranten gegen die Kürzungen an den Schulen. Unter dem Motto „Schüler übernehmen den Unterricht“ boykottierten die SchülerInnen der Werner-von-Siemens-Schule im Einverständnis mit dem Kollegium die Schulstunden. Die Senat plant, die Verträge von 700 befristet angestellten PädagogInnen nicht zu verlängern und die Schulklassen zu vergrößern. Für die Sprecherin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Erdmute Safranski, eine „unannehmbare Standardverschlechterung“. Dazu kommen noch die Kürzungen der Lernmittel.
Für heute um 17 Uhr rufen die GEW und Elternausschüsse zu einer Großdemonstration gegen die Kürzungen im Bildungsbereich auf, die am Nollendorfplatz startet. Tobias Rapp
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