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Geheimdiplomatie mit Todgeweihten

Eine hochrangige französische Persönlichkeit soll in Sachen Mönchsentführung zu einem Geheimtreffen nach Algerien gereist sein. Doch Paris besteht auf der offiziellen Version  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Wir verhandeln nicht mit Terroristen“, hatten gleich mehrere Mitglieder der französischen Regierung in der vergangenen Woche nach dem siebenfachen Mönchsmord in Algerien getönt. Alle Gerüchte über geheime Treffen zwischen französischen Unterhändlern und Vertretern der „Bewaffneten Islamischen Gruppe“ (GIA), von der die Trappisten zwei Monate lang gefangengehalten worden waren, seien frei erfunden. Inzwischen ist das klare Dementi einem halben Eingeständnis gewichen. Nachdem die GIA angekündigt hat, sie werde in ihrem Mitteilungsblatt El Ansar detaillierte Beweise für die Kontakte liefern, gibt das Pariser Außenministerium zu, daß seine Botschaft in Algier Ende April einen Boten der bewaffneten Islamisten empfangen hat. Aber nur, um „Dokumente“ entgegenzunehmen und dafür eine „Empfangsbestätigung“ auszustellen.

Die GIA hatte die „Exekution“ ihrer Geiseln in der vergangenen Woche in einem Kommuniqué mitgeteilt, in dem unter anderem von „Dokumenten“, die mit den französischen Behörden ausgetauscht worden seien, und von „gescheiterten Verhandlungen“ mit Paris die Rede war. Danach hat Paris bestätigt, daß die GIA am 30. April ein Video von den damals noch lebenden Mönchen überstellt hat, um ihrer Forderung nach Freilassung inhaftierter Islamisten Nachdruck zu verleihen.

Auch aus dem Umfeld der Opfer gab es Widerspruch gegen die offizielle Pariser Version. Ein Glaubensbruder teilte mit, daß eine „hochrangige Persönlichkeit aus Südfrankreich“ während der Entführung in Algerien gewesen sei. Sie soll die Mönche besucht und ihnen die Eucharistie gebracht haben. Inzwischen haben Vorgesetzte den Mönch zum Schweigen aufgefordert. Paris bestreitet die abenteuerliche Begegnung zwischen den Todgeweihten und dem Entsandten, der ein Vertrauter des einstigen Innenministers Charles Pasqua sein könnte, komplett.

Am Dienstag abend hatten Teilnehmer der von den meisten französischen Parteien und allen Glaubensgemeinschaften abgehaltenen Trauerkundgebung am Pariser Platz Trocadero das Transparent hochgehalten: „Arschlöcher! Man führt keinen Dialog mit Terroristen“. Einige Meter entfernt prangte das Pendant mit der Frage: „Warum sucht ihr nicht den Dialog mit der GIA?“ Letzteres wurde nach wenigen Minuten entfernt.

Die Trappistenmönche vom Kloster Tibhirine hatten die Möglichkeit ihres gewalttätigen Todes von Hand bewaffneter Islamisten längst ins Auge gefaßt. 1994 hatte ihr Prior, Christian de Cherge, einen Brief für den Fall seiner Ermordung an seine Angehörigen in Frankreich geschickt. Gestern veröffentlichte die kirchennahe Zeitung La Crox das Schreiben, in dem Cherge vorab seinen Mörder Gott empfiehlt und darauf hofft, ihn im Paradies wiederzutreffen. Unterzeichnet hat Cherge mit „Amen“ und „Inch Allah“ – letzteres in arabischen Schriftzeichen.

Was das fatale Scheitern der französischen Diplomatie in Algerien ausgelöst hat, ist unklar. Frühere Geiselnahmen französischer Staatsangehöriger im Ausland waren grundsätzlich anders verlaufen. Unter anderem haben es Pariser Unterhändler geschafft, ihre Landsleute aus diffizilen Lagen im Libanon, in Libyen und zuletzt in Bosnien zu befreien. Möglich scheint, daß sich dieses Mal konkurrierende französische Dienste und Ministerien gegenseitig behindert haben. Möglich ist auch, daß die über die französische Einmischung verärgerte algerische Seite keinerlei Kooperationsbereitschaft gezeigt hat. So fand sie während der zweimonatigen Entführung angeblich keine Spur von den Geiseln, obwohl der algerische Geheimdienst die „Bewaffnete Islamische Gruppe“ mit Agenten durchsetzt hat, und obwohl algerische Soldaten die Berge von Medea wochenlang auf der Suche nach den Mönchen durchkämmt haben. Nicht einmal ihre Leichen sind aufgetaucht.

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