: Wieviel Naturschutz im Deichamt?
■ Umweltschützer Gerold Janssen fürchtet geringe Wahlbeteiligung und Roll-back der „alten Garde“
Für Gerold Janssen, den seit Jahren bekanntesten Naturschützer Bremens, ist der Samstag ein ganz wichtiger Tag: Dann nämlich ist Deichamtswahl, und da steht ein Teil seines politischen Lebenswerkes auf der Kippe. So jedenfalls sieht es Janssen, der vor zehn Jahren in einer monatelangen Kleinarbeit die ökologie-bewußten Hausbesitzer vom „rechten Weserufer“ Bremens über die Bedeutung des Deichverbandes für die Ökologie insbesondere des Hollerlandes aufgeklärt hat. Die „Naturschutzliste“ war 1986 die erste „rotgrüne“ Koalition in Bremen, lange bevor solche Kombinationen in der Politik denkbar waren, und sie hatte Erfolg: Die alte bäuerliche, CDU-orientierte Mehrheit wurde abgelöst.
Unter dem harmlosen Etikett „Bürgergruppe Deichschutz“ wird die Revanche geplant. Der frühere Verbandsingenieur des Deichamtes und der Landwirt Hinrich Klüver, Kopf der alten Garde des Deichamtes, wollen die Naturschützer wieder vertreiben. Das wird so offen nicht gesagt, und Janssen befürchtet, daß bei nachlassendem Interesse die Wahlbeteiligung letztlich die Wahl entscheiden wird: Nur ca. 13 Prozent der 80.000 Wahlberechtigten nahmen beim letzten Mal ihr Recht wahr, und das bedeutet, daß jede Stimme siebenfach zählt.
„Wir werden dafür eintreten, daß Fachleute wieder die Verantwortung für die Deichsicherheit tragen“, ist einer der Sätze aus dem neuen Programm der alten Garde. „Daß dabei der Naturschutz angemessen beachtet werden muß, versteht sich in der heutigen Zeit von selbst.“ In der heutigen Zeit! Der alte Naturschutz-Kämpfer Janssen kann sich empören über solche Propaganda-Floskeln. Ist der Kampf um die Wasserstände im Hollerland, die die Landwirte senken wollten, um mit ihren Maschinen die früheren Feuchtwiesen befahren zu können, schon ganz vergessen? Man muß bei der „Bürgergruppe Deichsicherheit“ schon einiges lesen, um dann auf Sätze wie den zu stoßen: „Experimente des Naturschutzes“ würden abgelehnt, „Ausgaben für Naturschutz müssen vom Staat“ bezahlt werden, und es gehe nur um „soviel Naturschutz wie nötig“.
Die neue Mehrheit im Deichamt hat „soviel Naturschutz wie möglich“ umgesetzt, und sie hat den Dienstwagen, den sich die „alte Garde“ leistete, durch das Fahrrad ersetzt; sie hat die Finanzen durch sparsame Haushaltsführung wieder in Ordnung gebracht. Für die letzte Periode der „alten Garde“, die nun unter dem Etikett „Deichsicherheit“ antritt, hatte der Rechnungshof erhebliche Fehler beim Finanzgebaren moniert. Aufgrund ihrer „ökologischen“ Wirtschaftsweise, darauf sind Gerold Janssen und der derzeitige Deichhauptmann Wolfgang Golasowski besonders stolz, konnten die Deich-Beiträge der Grundbesitzer von 1,3 Protent auf ein Prozent des Grundstückseinheitswertes gesenkt werden. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen