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Ozonloch: kein Grund zur Entwarnung

■ US-Wissenschaftler stellten fest, daß der Ozonkiller FCKW innerhalb eines Jahres um 1,5 Prozent zurückgegangen ist. Schon Anlaß zur Sorglosigkeit? von Annette Jensen

Ozonloch: kein Grund zur Entwarnung

„Das ist der Anfang einer Trendwende“, sagt Stephen Montzka. Für einen Atmosphärenforscher ist das eine erstaunlich eindeutige Aussage. Seit Jahren beobachten er und sein Wissenschaftlerteam vom NOAA-Laboratorium in Boulder im US-Bundesstaat Colorado das Ozonloch. Jetzt haben sie festgestellt, daß die Konzentration der Ozonkiller Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) in Bodennähe innerhalb von einem Jahr um 1,5 Prozent zurückgegangen ist. Den höchsten Wert registrierten die Meßstationen in den USA, Kanada, Australien und auf zwei pazifischen Inseln im Januar 1994, schreibt das Wissenschaftsmagazin Science. „Wenn das tatsächlich so ist, ist das ja mal eine erfreuliche Nachricht“, kommentiert Rolf Satorius, Experte beim Umweltbundesamt (UBA).

Das bedeutet allerdings noch keine Sorgenfreiheit für menschliche Bratlinge. Denn zum einen sind die besonders schädlichen bromhaltigen Halone weiter auf dem Vormarsch; zum anderen sind die FCKW-Moleküle mehrere Jahre unterwegs, bis sie in der Stratosphäre ankommen und in zehn bis 25 Kilometer Höhe ihre zerstörerische Wirkung entfalten. Die US-Forscher gehen dabei von einer Wanderzeit von zwei bis drei Jahren aus; die meisten Kollegen setzen eher zehn Jahre an. „Wir erwarten ein meßbares Signal der Erholung um 2005 oder 2010“, sagt Montzka. Bisher waren sich die Forscher weitgehend darüber einig, daß in diesem Zeitraum das größte Ozonloch aller Zeiten zu erwarten sei. Unter der Voraussetzung, daß die Ozonkillerproduktion auf der Erde massiv zurückgefahren würde, prognostizierten sie eine völlige Wiederherstellung des Schutzschilds gegen gefährliche UV-Strahlen 50 Jahre später.

Denn die Ozonschicht kann sich erneuern. In 40 bis 50 Kilometer Höhe über den Tropen entstehen die aus drei Sauerstoffatomen bestehenden Moleküle durch intensive Sonneneinstrahlung ständig neu. Schon immer gab es in 10 bis 25 Kilometer Höhe einen natürlichen Ozonabbau. Bis die Menschheit Sprühdosen und Kühlschränke mit FCKW füllte, waren Auf- und Abbau im Gleichgewicht.

Seit 1979 messen die Forscher jedoch in der Antarktis einen massiven Ozonschwund jeweils am Ende des Winters. Die UV-Strahlung spaltet die FCKW-Moleküle und setzt Chlor frei, das sich unbedingt mit den Sauerstoffatomen des Ozons verbinden will. Über dem Südpol ist mittlerweile eine Ausdünnung von 60 bis 70 Prozent normal; in Extremfällen bleiben sogar nur fünf Prozent der Ozonmoleküle übrig. In der Arktis ist der Abbau wesentlich weniger intensiv: Hier gehen zum Ende des Winters 20 bis 30 Prozent des Ozons verloren.

„Wir versuchen zur Zeit herauszufinden, warum die Werte in der Arktis und in der Antarktis so unterschiedlich sind“, sagt Hartwig Gernandt, Leiter der Polaratmosphärenforschung beim Alfred Wegener Institut. Festgestellt haben die Forscher inzwischen, daß die Luftzirkulation auf der Nordhalbkugel wesentlich intensiver ist als im Süden, so daß schneller Nachschub an frischen Ozonmolekülen aus den hohen Luftschichten über den Tropen kommen kann.

Wie in seinem Berufsstand üblich, weist Gernandt auf die Vielschichtigkeit des Problems hin: „Wir kennen die natürliche Variabilität der Atmosphäre noch gar nicht. Deshalb können wir den menschlichen Enfluß auch nicht genau bestimmen.“ Schließlich gibt es Daten nur für die letzten 30 bis 40 Jahre, ein natürlicher Wandel aber ist erst in Zeiträumen von 100 bis 200 Jahren festzustellen.

Gernandt warnt vor einer Entwarnung: Selbst wenn die Ozonzerstörung im nächsten Jahrzehnt abnimmt, heißt das noch lange nicht, daß der alte Zustand nach und nach wieder hergestellt wird. „Derart komplexe Systeme entwickeln sich chaotisch.“ Durch die menschlichen Eingriffe könnten sich Temperaturverteilung und Luftzirkulation dauerhaft gewandelt haben. „Nicht auszuschließen ist, daß sich Klimazonen verschieben“, meint der Polaratmosphärenforscher. Wenn das in großem Umfang geschehen sollte, sei die Wirkung von UV-Strahlen fast marginal.

Dabei ist die Gefahr von UV- Strahlen keineswegs zu unterschätzen. Ein Prozent weniger Ozon in der Atmosphäre bedeutet zwei Prozent mehr Strahlung. Nicht nur die Hautkrebsrate bei Menschen ist in einigen Ländern der südlichen Hemisphäre signifikant angestiegen. Auch Augenschäden bei Kaninchen wurden beobachtet. Und zwei Drittel der 400 gebräuchlichsten Nutzpflanzen reagieren empfindlich auf erhöhte UV-Konzentrationen, hat Manfred Tevini von der Uni Karlsruhe festgestellt. Bei Mais konnte er bei einer erhöhten Strahlendosis von 10 bis 20 Prozent sogar eine Erbgutschädigung nachweisen. Fazit: Kein Grund zur Entwarnung!

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