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Auch Länder streichen Sozialleistungen

■ Nach der Regierung planen jetzt die Bundesländer den Sozialabbau: Sie wollen die Leistungen für Sozialschwache um 15 Milliarden kürzen. Im öffentlichen Dienst soll die 40-Stunden-Woche wieder gelten

Bonn (AP/taz) – Den drastischen Sparmaßnahmen des Bundes folgen jetzt auch schmerzhafte Kürzungen in den Länderhaushalten. Mehrere Länderfinanzminister bestätigten am Wochenende, daß sie tiefe Einschnitte planen, die möglicherweise Einschränkungen für den öffentlichen Dienst, aber auch für Sozialhilfeempfänger, Behinderte, Schüler und Studenten mit sich bringen werden. Das von Medien genannte Streichvolumen in Höhe von 38 Milliarden Mark wurde aber dementiert.

Der bayerische Finanzminister Erwin Huber bestätigte einer Zeitung, daß den Länderministern zwar eine Sparliste in dieser Höhe vorliege, dies sei aber eine reine Stoffsammlung. Den eigentlichen Sparbedarf für 1997 bezifferte Huber auf rund 15 Milliarden Mark. Erste Entscheidungen über das Länder-Sparpaket werden nach Informationen aus Bundesratskreisen am Donnerstag und Freitag fallen. Dann treffen sich die Länderfinanzminister in Sachsen- Anhalt zu einer Sondersitzung.

Die von Beamten ausgearbeitete Streichliste enthält im einzelnen die Einführung von Studiengebühren sowie die Streichung des 13. Schuljahres, des Schüler-Bafögs und der Freifahrten für Schwerbehinderte in Bussen und Bahnen. Gedacht ist ferner an eine Senkung der Sozialhilfe auf das Existenzminimum und an Kürzungen bei Wohngeld, Wohnungsbau und der Prozeßkostenhilfe.

Im öffentlichen Dienst wird für 1997 eine Nullrunde erwogen, und ins Auge gefaßt werden darüber hinaus die Streichung des Weihnachtsgeldes, die Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche, der Abbau von Planstellen und die Senkung der Eingangsbesoldung. Die Liste enthält außerdem den Wegfall des Ehegattenanteils im Ortszuschlag und die Kürzung der Beihilfe im Krankheitsfall.

Ähnlich wie Huber bemühte sich auch der schleswig-holsteinische Finanzminister Claus Möller, das Ländervorgehen zu entdramatisieren: Er gehe davon aus, „daß eine ganze Reihe von Vorschlägen den Ministerpräsidenten erst gar nicht vorgelegt werden“. Sein hessischer Kollege Karl Sterzinger bezeichnete die Streichliste als „ein Nachdenken ohne Tabus und ohne politische Gewichtigung“.

Unterdessen wurden auch von Seiten der Bundesregierung weitere Kürzungspläne bekannt. Sie betreffen die Arbeitslosenunterstützung und sollen Einsparungen von 700 Millionen Mark bringen. Nach einem Bericht der Sächsischen Zeitung sind folgende Änderungen vorgesehen: Wer mit 42 Jahren arbeitslos wird, erhält künftig nicht mehr 18, sondern nur noch zwölf Monate Arbeitslosengeld. Dies gilt auch für 44jährige, die derzeit 22 Monate lang Arbeitslosengeld beanspruchen können. Die bisherige Staffelung wird dann fortgesetzt, doch werden die Bezugszeiten jeweils reduziert. 54jährige schließlich können künftig höchstens 26 Monate lang mit Arbeitslosengeld rechnen, statt wie bisher mit 32 Monaten.

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