piwik no script img

Tschechiens Konservative verlieren die Mehrheit

■ Bürgerpartei um Václav Klaus bleibt zwar stärkste Fraktion, ist aber nicht mehr regierungsfähig. Prags Sozialdemokraten vervierfachen ihren Stimmanteil und siegen

Prag (AFP) – Bei der ersten Parlamentswahl in Tschechien seit der Republikgründung hat die Demokratische Bürgerpartei (ODS) von Ministerpräsident Václav Klaus ihre Mehrheit verloren, bleibt aber dennoch stärkste Fraktion. Überraschender Sieger der Wahl, die am Samstag zu Ende ging, waren die Sozialdemokraten (CSSD) unter Milos Zeman. Sie konnten ihren Stimmenanteil gegenüber 1992 vervierfachen. Drittstärkste Kraft blieben die Kommunisten (KSCM), mit denen Zeman vor der Wahl eine Zusammenarbeit ausgeschlossen hatte. Noch am Wahlabend lehnten Klaus und Zeman eine Koalition ab. Eine stabile Regierungsmehrheit war am gestern nachmittag nicht in Sicht. Die jetzige Regierungskoalition von Klaus, die aus drei Parteien besteht, kommt nach dem bisherigem Stand nur auf 99 Sitze der insgesamt 200 Parlamentssitze. Damit fehlen ihr zwei Sitze zur Mehrheit.

Klaus' ODS kam nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 29,6 Prozent und erlangte damit 67 Sitze im Parlament. Ihre beiden Koalitionspartner, die Demokratische Bürgerallianz (ODA) und die Christlich-Demokratische Union (KDU- CSL) kamen auf 14 beziehungsweise 18 Sitze. Die Sozialdemokraten konnten ihren Anteil auf 26,4 Prozent steigern, obwohl ihnen in Umfragen weitaus weniger zugetraut wurde. Damit errangen sie 60 Sitze. Die Kommunisten stellen dort 23 Abgeordnete. Aber auch die Rechtsnationalisten konnten zulegen: Sie erreichten landesweit acht Prozent der Stimmen und erhalten damit 18 Sitze.

„Klaus siegt, aber Zeman glänzt“, titelte die Prager Zeitung Mlada fronta dnes gestern. Die erste Parlamentswahl nach Auflösung der Tschechoslowakei galt als Test für die Akzeptanz der von der Regierung Klaus betriebenen Wirtschaftsliberalisierung. In Wirtschaftskreisen wurde das Wahlergebnis mit Bedenken aufgenommen. Man bezweifelte, ob ausländische Investoren angesichts einer ungewissen Regierungsmehrheit ihr Engagement in Tschechien fortsetzen. Seiten 2 und 11

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen